Kommentar: Das Ende der einfachen Lösungen
1. Februar 2014Spätestens seit dem Libyen-Konflikt betrachteten Deutschlands traditionelle Verbündete Berlins Außenpolitik argwöhnisch. Zur Erinnerung: Auf Betreiben des damaligen Außenministers Guido Westerwelle enthielt sich Deutschland 2011 im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über einen Militäreinsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen das Gaddafi-Regime.
Bedeutsam war das Votum deshalb, weil Berlin statt an der Seite seiner traditionellen Partner Frankreich, Großbritannien und den USA gemeinsam mit Russland, und China stimmte. Die Risiken, so Westerwelle damals, seien zu groß, aber man wünsche den Partnern viel Glück. Dies bedeute jedoch nicht, ergänzte der Außenminister, dass Deutschland nicht bereit wäre, internationale Verantwortung zu übernehmen.
Neujustierung der deutschen Außenpolitik
Doch genau diese Botschaft - Berlin duckt sich weg, wenn es schwierig wird - ging von der Enthaltung im Sicherheitsrat aus und kam bei den Verbündeten an. Mit seiner Rede in München leitete Bundespräsident Gauck nun die seit langem notwendige Neujustierung der deutschen Außenpolitik ein. Er ist beleibe nicht der erste deutsche Politiker, der eine stärkere internationale Rolle Berlins fordert. Aber die Art und Weise, wie Gauck seine Haltung begründete, sowie seine besondere Stellung im Politikgefüge Berlins, gibt seinen Ausführungen besonderes Gewicht.
Rhetorisch überzeugend legte Gauck dar, warum Deutschland als ein Land, das international verknüpft ist wie kaum ein anderes, sich keine Inselmentalität mehr leisten kann. Ein „Recht auf Wegsehen“, könne es für ein Land, das so von der internationalen Ordnung profitiere wie Deutschland, nicht geben.
Auch mehr militärisches Engagement möglich
Das von ihm geforderte stärkere globale Engagement Berlins kann, so Gauck, ausdrücklich auch militärische Maßnahmen beeinhalten. Aber dies sei kein pauschaler Ruf, künftig mehr deutsche Truppen in internationale Kriseneinsätze zu schicken, stellte Gauck klar. Doch genauso wenig könne man Militäreinsätze von vorneherein ausschließen. Letzteres spiegelt - siehe Libyen - die deutsche Außenpolitik der vergangenen Jahre und die Befindlichkeit der Menschen in Deutschland eher wider als der schnelle Ruf nach militärischem Eingreifen.
Auf internationaler Bühne dagegen stößt Gaucks Appell auf offene Ohren. Denn was der Bundespräsident in München gefordert hat und hierzulande hoffentlich eine überfällige Debatte über Deutschlands Rolle in der Welt auslösen wird, ist für Berlins internationale Partner schon lange eine Binsenweisheit. Das „Ohne-uns-Deutschland“, ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg, hat für sie schon lange ausgedient. Dies bedeutet nicht, dass sich Deutschland nun überall und permanent global engagieren muss. Das kann es nicht, und das verlangt auch niemand. Aber so einfach wie bisher darf es sich Deutschland nicht mehr machen.