Benjamin gewinnt auf jeden Fall
Israelische Meinungsforscher sind sich einig: Noch nie sei der Ausgang von Parlamentswahlen so schwer vorhersagbar gewesen wie diesmal. In den letzten drei Tagen vor dem Urnengang dürfen keine Prognosen mehr veröffentlicht werden und so ist die Ungewissheit seit vergangenem Freitag umso größer geworden, was die Wahlen am Dienstag dem Land, der Region und der Welt bescheren werden. Zumal das Ergebnis der letzten Umfrage lautete: Beide Lager liegen gleichauf, mit einem Vorteil für die Rechten um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Niemand kann ohne Partner regieren
Ungewissheit war ohnehin ständiger Begleiter dieses Wahlkampfes. Das fing schon bei der Definition der Lager an: Um Netanjahus "Likud" scharen sich mehrere kleine nationalistische und oder religiös-orthodoxe Parteien. Sie alle müssen die Sperrklausel von 3,25 Prozent überwinden, um als Koalitionspartner für den "Likud" in Frage zu kommen. Das Gleiche auf der Gegenseite: Auch die neue "Blau-Weiß"-Partei, von Netanjahu als "linke Gefahr" verteufelt, wird auf keinen Fall ohne Partner regieren können: Die meisten von denen aber kämpfen selbst mit der 3,25 Prozent-Hürde.
Das endgültige Machtverhältnis in der 120-köpfigen Knesset hängt ganz entscheidend vom Abschneiden dieser Kleinstparteien ab, weil nicht realisierte Mandate der Gruppen, die an der Hürde scheitern, unter den anderen Parteien aufgeteilt werden. Und die beiden sicher in der Knesset vertretenen israelisch-arabischen Parteien kommen als Koalitionspartner für "Blau-Weiss" nicht in Frage. Was ja am deutlichsten zeigt, wie wenig sich diese neue, vom ehemaligen Generalstabschef Benjamin "Benny" Gantz geführte Partei letztlich vom rechten "Likud" abhebt.
Wirkliche politische oder ideologische Unterschiede sind während des Wahlkampfes nicht ernsthaft behandelt worden. Netanjahu verhöhnte und beschimpfte die Konkurrenz, stempelte sie ab zur Gefahr für Israel: So wurde Gantz nicht nur Ehebruch nachgesagt, es wurde auch kolportiert, der Iran habe sein Handy ausgelesen und sei dadurch an Geheiminformationen gekommen.
Gleichzeitig glänzte Netanjahu als Staatsmann, der mit den Großen in Washington und Moskau zusammenarbeitet und bei dem die Geschicke des Landes deswegen gut aufgehoben sind. Besonders leicht machte ihm dies US-Präsident Donald Trump: Dieser koordiniert seine Politik gegenüber dem Iran seit geraumer Zeit mit Netanjahu, er kam ihm mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem entgegen und pünktlich zum Wahlkampf verkündete er, Washington erkenne nun auch Israels Anspruch auf die seit 1967 besetzten syrischen Golan-Höhen an.
Wahlkampf mit Rückenwind aus Washington
Kritiker Netanjahus nennen diesen oft den "Trump Israels" und das muss "Bibi", wie er im Volksmund genannt wird, zu Kopf gestiegen sein: Drei Tage vor den Wahlen ließ er geplant beiläufig wissen, dass er sich nach der Wahl daran machen wolle, wenigstens Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Wie die bereits 1981 vorgenommene Annexion der Golanhöhen wäre auch dies ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht. Aber warum sollte "Bibi" sich daran stören - bei so massiver Rückendeckung aus Washington?
Auch in diesem Punkt kam von "Blau-Weiß" kein wirklicher Protest: Man werde keine jüdischen Siedlungen in der Westbank auflösen, aber eine Annexion sei freilich auch nicht geplant. Also die Fortsetzung der politischen Hängepartie, in der sich diese Gebiete seit 1967 befinden und an der auch das mit drei Nobelpreisen belohnte Oslo-Abkommen nichts geändert hat. Was die Annexion aber mit sich brächte: Sie wäre das Ende der international bisher verfolgten Idee einer Friedensregelung. Die Tageszeitung "Haaretz" spricht denn auch schon vom "Totengräber der Zweistaatenlösung". All dies hätte unabsehbare Folgen weit über den Nahen Osten hinaus.