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Kommentar: Bali ist besser als gar nichts

Rolf Wenkel7. Dezember 2013

Kritiker bezeichnen den WTO-Kompromiss von Bali als Niederlage im globalen Kampf gegen den Hunger. Dabei ging es um sehr viel mehr als um indischen Weizen oder Reis. Und das ist durchaus ein Erfolg, meint Rolf Wenkel.

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Fast 13 Jahre haben Vertreter aus fast 160 Ländern um dieses Abkommen gerungen, hundertmal haben Beobachter die Verhandlungen für gescheitert erklärt, und nun ist es geschehen, das kleine Wunder: Die vor gut zwölf Jahren begonnene so genannte Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels hat endlich in ein multilaterales Abkommen zum Abbau von Handelsschranken gemündet. Die 2001 begonnenen Verhandlungen sollten vor allem die Entwicklungsländer besser in den Welthandel integrieren.

Rolf Wenkel (Foto: Kaufmann/DW)
Rolf Wenkel, WirtschaftsredaktionBild: DW/D. Kaufmann

Lange herrschte absoluter Stillstand. Industrie- und Entwicklungsländer stünden sich unversöhnlich gegenüber, hieß es immer wieder. Indes: Längst verlaufen die Trennlinien nicht mehr so klar zwischen der so genannten Ersten und der Dritten Welt.

Am Beispiel Indiens ist das sehr gut nachzuvollziehen. Fast eine Woche lang wurden die Vertreter Indiens auf Bali als die großen Verhinderer eines multilateralen Abkommens gebrandmarkt, weil das Land zum Aufbau einer Hunger-Reserve Nahrungsmittel aufkauft und damit entgegen den WTO-Regeln Reis und Weizen subventioniert. Nicht nur Industriestaaten bemängelten das, sondern auch Länder wie Thailand oder Bangladesch, die befürchteten, solche subventionierten Nahrungsmittel könnten sich auf ihren Märkten wiederfinden. Thailand und Bangladesch aber sind alles andere, nur keine Industrieländer.

Fauler Kompromiss?

Der nun gefundene Kompromiss erlaubt Indien, wo rund zwei Fünftel der Kinder an Unterernährung leiden, den Aufbau einer nationalen Nahrungsmittelreserve - wenn auch mit vielen Einschränkungen. Und eventuellen Nachahmern wurde gleich ein Riegel vorgeschoben. Das sei aus entwicklungspolitischer Sicht ein fauler Kompromiss und ein Rückschlag im globalen Kampf gegen Hunger und Unterernährung, monieren vor allem die Nichtregierungsorganisationen. Für sie scheint es ausgemacht zu sein, dass sich Freihandel und Nahrungsmittelsicherheit nicht miteinander vertragen.

Eine Haltung, die so einfach nicht stimmt. Umgekehrt muss man nämlich fragen, ob der Kampf gegen den weltweiten Hunger ohne das Ergebnis von Bali erfolgversprechender wäre. Vermutlich nicht. So haben Ökonomen ausgerechnet, ein multilaterales Abkommen à la Doha werde rund 1000 Milliarden Dollar an zusätzlichem Einkommen - vor allem in den Entwicklungsländern generieren. Und steigende Einkommen sind das beste Mittel im Kampf gegen Hunger.

Realistische Wohlstandsgewinne

Klar ist aber auch, dass viele Beobachter diese ominöse Zahl von einer Billion Dollar für bloße Propaganda des Westens halten. Eigens in die Welt gesetzt, um erst von den Schwellen- und Entwicklungsländern den Abbau von Zollschranken verlangen zu können - und sie dann mit ihren Industrieprodukten zu überschwemmen. Diesen Kritikern muss man klar machen, dass Wohlstandsgewinne in dieser Größenordnung dank der jetzt erfolgreichen Doha-Runde durchaus realistisch sind.

Denn auf Bali ging es nicht nur um indischen Weizen oder Reis. Die Handelsminister von 159 Staaten haben ihre Unterschrift unter ein Paket von zehn Einzelvereinbarungen gesetzt, die vom Agrarhandel über Finanzdienstleistungen, Patente und Zollfragen bis hin zum Bürokratieabbau in vielen Bereichen zu Handelserleichterungen und damit zu Wachstumsimpulsen führen werden - auch und gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Keine Diskriminierung

Und man darf nicht vergessen, dass die Doha-Runde ein multilaterales Abkommen ist, deren Handelsvorteile für alle WTO-Mitgliedsstaaten gelten. Das hat einerseits die Verhandlungen so unendlich schwer gemacht, andererseits aber jede Art von Diskriminierung verhindert. Denn bilaterale und regionale Handelsabkommen, die seit der Jahrtausendwende wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, diskriminieren immer diejenigen, die nicht an diesen Abkommen beteiligt sind. Und fair muss es bei bilateralen Verhandlungen auch nicht zugehen, wenn auf der einen Seite des Verhandlungstisches ein Entwicklungsland und auf der anderen Seite ein Industrieland sitzt.

Den Kompromiss mit Indien mögen viele Kritiker als faul bezeichnen. Doch andererseits hat er ein Abkommen ermöglicht, das in vielen anderen Feldern nur Vorteile bringt. Und das nicht nur für einige Länder in irgendwelchen Freihandelszonen, sondern für 159 Staaten rund um den Globus. Das ist nicht nur besser als gar nichts, sondern ein historischer Erfolg im Kampf gegen Abschottung und Protektionismus.