Kommentar: Die griechische Kamikaze-Strategie
17. Februar 2015Was soll das eigentlich werden, wenn es fertig ist? Jetzt hat die griechische Regierung auch die zweite Runde der Verhandlungen mit der Eurogruppe in Brüssel platzen lassen, weil diese sich nicht ihrem Willen beugt. Was auch erfahrene EU-Unterhändler dabei so frustriert: Beide Seiten sind nicht einmal an den Punkt einer echten inhaltlichen Diskussion gekommen.
Bis heute hat Finanzminister Varoufakis kein Blatt Papier mit Zahlen, Daten und Wünschen der griechischen Seite auf den Tisch gelegt. Seine europäischen Kollegen könnten ja in der New York Times nachlesen, wie er sich eine Lösung vorstelle, so Varoufakis. Dazu gab er noch ein paar mündliche Erläuterungen ab, das war's. Nach der Sitzung aber ließ er flugs verlautbaren, man wolle alles tun, um zu einer Einigung zu kommen - und die könne auch schon in zwei Tagen erreicht werden. Wenn er sich da nicht irrt.
Varoufakis nimmt seine Kollegen nicht ernst
Der griechische Finanzminister hat erkennbar einen Hang zur Unverschämtheit: So sollte man mit seinen Kollegen nicht umgehen, schon gar nicht, wenn man von ihnen Geld will. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Wolfgang Schäuble und Co. von dem Neuling am Ring durch die Manege ziehen und nach Belieben vorführen lassen.
Schon vor diesem geplatzten Treffen war die Stimmung am Nullpunkt, und manche sprachen von mangelndem Vertrauen in die Zusagen der Griechen. Und der Versuch, die EU-Kommission und die Eurogruppe gegeneinander auszuspielen, hat da keinesfalls geholfen. Jetzt ist der Goodwill für Athen vorerst verbraucht. Vielleicht sucht Varoufakis ja einen neuen Job als Kolumnist bei einer internationalen Zeitung. Oder warum veröffentlicht er die Wünsche seines Landes nach einer Überbrückungsfinanzierung ohne Auflagen zunächst in der US-Presse, um dann in Brüssel diese Forderung als einzige Verhandlungsbasis zu präsentieren? Hat er gehofft, amerikanische Regierungsvertreter würden sich noch einmal einmischen und die Europäer erneut zur Einigung auffordern? Das bringt ihn keinen Schritt weiter. Oder will Varoufakis seinen Staatshaushalt von den USA finanzieren lassen? Viel Glück dabei.
Athen lässt es erneut auf den Eklat ankommen
Wenn das Krisenmanagment der Regierung Tsipras auch stümperhaft und verantwortungslos ist, ihre Propagandaschlacht kann sich sehen lassen, sie wird professionell geführt. Mit Äußerungen voller Widersprüche und zahlreichen falschen Tatsachenbehauptungen hoffte man Sympathisanten zu werben: Griechenland würde von seinen Schulden erdrückt, hieß es da zunächst - dabei beginnt die Rückzahlung erst 2022. Die Zinsen seien zu hoch - sie sind aber ebenfalls ausgesetzt und ziemlich niedrig. Die Troika sei für das Elend griechischer Rentner verantwortlich - tatsächlich sind es die einstigen Regierungen in Athen, sie hätten ihren Staatshaushalt auch anders sanieren können.
Als Hauptschuldiger an der griechischen Misere und als großer Buhmann aber wird Deutschland aufgebaut, komplett mit Nazi-Vergleichen und dem ganzen Müll aus der politischen Mottenkiste. Bloß steht der so geschmähte Wolfgang Schäuble keinesfalls allein, inzwischen sind die Finanzminister aus den baltischen Ländern oder gar aus Irland oder Spanien, wo man ebenfalls eine Schuldenkrise durchzustehen hatte, besonders kompromisslos gegenüber den griechischen Forderungen.
Was Athen fordert, ist nicht mehr und nicht weniger als die vorübergehende - und ein genauer Zeitraum wird da nicht genannt - Finanzierung seines Staatshaushaltes durch die Eurozone. Einfach so, ohne Auflagen, Rückzahlungsvereinbarung oder Garantien. Das kann man sich ja wünschen, sollte doch aber nicht den Sinn für Realität verlieren und sich an der eigenen Wahlkampfrhetorik besoffen reden. Demgegenüber beharren die Eurogruppen-Minister darauf, dass bestehende Vereinbarungen eingehalten werden, jedenfalls im Umriss. Wenn dann eine Regierung etwas mehr Luft braucht, konnte bisher noch immer eine Lösung gefunden werden. Aber so weit sind die Verhandlungspartner nicht einmal gekommen - Athen fand es inakzeptabel, auch nur darüber sprechen zu müssen, nach der Devise: Alles oder Nichts.
Wer hat noch Angst vor dem Grexit ?
Und was folgt auf Nichts? Möglicherweise noch ein weiteres Gespräch am Freitag, aber nur wenn die Griechen höflich bitten und konkrete Vorschläge präsentieren. Sie scheinen sich bei dem Russischen Roulette mit der Zukunft ihres Landes immer noch darauf zu verlassen, dass die Eurogruppe tödliche Angst vor einem "Grexit" hat und zuerst nachgibt. Da könnten sie allerdings falsch liegen, bei manchen überwiegt inzwischen der Verdruss an der griechischen Politik. Und woher nimmt die Regierung Tsipras den Glauben, die Europäische Zentralbank werde das von griechischen Konten abfließende Geld immer weiter durch Notfallkredite auffüllen?
Tatsächlich rückt die Staatspleite mit allen Folgen inzwischen näher. Derzeit ist nicht klar, ob Athen in letzter Minute noch einlenkt oder nach Art der Kamikaze-Strategie den Absturz mit einkalkuliert. Und die Frage ist, wann die Griechen beginnen zu begreifen, welches Spiel ihre Regierung da mit ihnen treibt.