Nein, der große Durchbruch war das definitiv nicht. Mehr als drei Stunden haben Wladimir Putin und sein türkischer Gast Recep Tayyip Erdogan in Sankt Petersburg miteinander gesprochen, und was am Ende rauskam, war alles andere als eine spektakuläre Annäherung. Auf der darauffolgenden Pressekonferenz verkündeten beide Präsidenten das Ende einer politischen Eiszeit und die Absicht, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wieder auf ein Niveau zu bringen, auf dem sie seinerzeit schon mal waren.
Das ist nicht epochal, aber zweifellos ein positives Ergebnis, auch aus Sicht der Europäer. Denn ein konfliktträchtiges schweres Zerwürfnis und ein Handelskrieg zwischen diesen beiden Ländern waren weder im Interesse der EU noch der NATO.
Keine Annäherung im Syrienkonflikt
Doch die beabsichtigte Rückkehr zur Normalität kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Moskau und Ankara nach wie vor enorm sind. Das wurde spätestens in dem Augenblick klar, als beide Staatslenker erklärten, sie hätten das Thema Syrien bei den offiziellen Verhandlungen extra ausgeklammert, um es in Ruhe nach der Pressekonferenz diskutieren zu können. Dank dieser kleinen List ersparten sich beide Präsidenten Fragen über ihre Sicht auf die Zukunft dieses Bürgerkriegslandes und auch auf die des syrischen Diktators Asad, den Putin stütz und Erdogan stürzen will.
Dabei war doch gerade Russlands militärisches Eingreifen in den Syrienkonflikt die eigentliche Ursache für die jüngste Eskalation, die nach dem Abschuss eines russischen Bombers durch die türkische Luftwaffe im November 2015 ihren Lauf nahm. Dass es bei dem Schlüsselthema Syrien in Petersburg nicht einmal ansatzweise eine Annäherung gab, zeugt davon, wie anfällig die Beziehungen beider Länder und ihrer geopolitisch ehrgeizigen Herrscher sind und wohl bleiben werden.
Für viel Zündstoff könnte auch noch der Konflikt um Berg-Karabach sorgen, bei dem die Türken ihre nahen Verwandten und Partner, die Aserbaidschaner, unterstützen, während Russland in einem Militärbündnis mit dem historischen Verbündeten Armenien ist. Dieses Thema wurde bei der Pressekonferenz nicht einmal erwähnt.
Viele wirtschaftspolitische Absichtserklärungen
Stattdessen konzentrierten sich beide Präsidenten auf Wirtschaftsfragen. Aber auch hier gab es auffällig viele unverbindliche Absichtserklärungen. Ja, Russland werde die Wirtschaftssanktionen schrittweise aufheben, aber wann konkret türkische Bauern den russischen Markt wieder mit Obst und Gemüse beliefern dürfen, blieb unklar.
Mit der Zeit, so Putin, werde auch der (von ihm gestoppte) Strom russischer Touristen in die Türkei das Vorkrisenniveau erreichen, aber eben mit der Zeit. Ja, bekräftigte Erdogan seinerseits, die Gaspipeline Turkish Stream für die Belieferung der Westtürkei und auch der EU mit russischem Gas wird gebaut werden, aber etwas konkreter wollte oder konnte der Staatschef dabei auch nicht werden.
Lediglich bei dem stark in Verzug geratenen Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks Akkuyu scheint es greifbare Fortschritte zu geben: Ankara bestätigte seine Bereitschaft, diesem Milliardenprojekt "so bald wie möglich" den Status einer strategischen Investition zu geben und somit langjährige Steuervergünstigungen zu gewähren.
Die russisch-türkische wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit wird also allmählich wieder in Gang kommen, aber von einer Art strategischer Allianz beider Länder, die auch als Herausforderung an die EU und generell an den Westen interpretiert werden könnte, kann - vorläufig zumindest - keine Rede sein. Und von einer neuen Männerfreundschaft Putin-Erdogan ebenfalls nicht, auch wenn das türkische Staatsoberhaupt seinen Gastgeber "lieber Freund" nannte. Der erwiderte lediglich mit einem diplomatischen "geschätzter Präsident".
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