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Angst vor Guerillakrieg

Ludger Schadomsky29. Dezember 2006

Nach dem Machtwechsel in Mogadischu herrscht Angst vor irakischen Zuständen. Denn auch Bagdad wurde schnell und ohne großen Widerstand eingenommen – bevor es in einer Gewaltorgie versank. Ludger Schadomsky kommentiert.

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Nun verkaufen sie also wieder die stimulierenden Khat-Blätter auf dem quirligen Bakaara-Markt in Mogadischu – ein symbolisches Zeichen für das Ende der Herrschaft der Scharia-Gerichtshöfe. Die hatten das besonders bei schießwütigen Clanmilizen beliebte Aufputschmittel unmittelbar nach Einzug in die Hauptstadt verboten.

Aber es gibt noch ein anderes Zeichen für den Wachwechsel: Barrikaden und der Anblick von Leichen in den Straßen. Kaum haben sich die eindimensional als radikale Islamisten abqualifizierten Ordnungshüter der Gerichte aus der Hauptstadt zurückgezogen, da stoßen jene Elemente in das Vakuum, die die leidgeprüfte Bevölkerung endgültig vertrieben glaubte: die Clanmilizen, die nach Belieben schikanieren, plündern und bei geringsten Anlässen töten. Viele haben sich schnell die Uniform der Gerichtshöfe ausgezogen, die AK-47 aber haben sie behalten – und eine solche Waffe war schon immer ein begehrtes Startkapital für Gangsterkarrieren in Somalia.

Vom Regen in die Traufe

Somalis in Mogadischu, aber auch in Teilen Zentral- und Südsomalias kommen nun vom Regen in die Traufe: Nach anfänglicher Euphorie hatten sich die mehrheitlich sunnitischen Somalis zuletzt von der Bewegung der Gerichtshöfe abgewendet – weil diese den Islam zunehmend politisch interpretierten. Mit den wieder erstarkten Clan-Milizen droht ihnen nun aber ein Rückfall in Chaos und Anarchie. In Somalia herrscht seit Donnerstagnachmittag (28.12.) die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung wie im Irak: Äthiopien meldet "Mission erfüllt" und hat bereits angekündigt, seine Truppen binnen weniger Tage abzuziehen. Doch scheint der Nachbar jenseits der einstweiligen Vertreibung der Scharia-Gerichtshöfe aus der Hauptstadt kein politisches Konzept für die Zeit danach zu besitzen.

Mogadischu zum Ende dieser Woche erinnert an Bagdad, das zunächst ohne größeren Widerstand genommen werden konnte, schon bald aber in einer Gewaltorgie versank. Noch ist nicht abzusehen, wie viele Jihadisten in den vergangenen Wochen wirklich nach Somalia eingesickert sind und wie ernst die Warnung der Scharia-Gerichtshöfe ist, Äthiopien mit einem Guerillakrieg zu übersähen. Nach dem Selbstmord-Attentat auf Übergangspräsident Abdullahi Yussuf im September könnten schon bald die ersten Bomben in Addis Abeba zünden.

Soviel ist klar: Mit der Übergangsregierung, die es bislang nicht gewagt hat, sich in Mogadischu sehen zu lassen, sondern das staubige Provinznest Baidoa vorzieht, ist in dieser Form kein Staat zu machen: Angeführt von einem 75-jährigen ehemaligen Warlord und einem Tierarzt besteht die Regierung zumeist aus ehemaligen Milizenführern, die in breiten Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert sind. Schon in Baidoa mussten Präsident Yussuf und sein Premier Ali Mohamed Gedi nicht weniger als 47 Minister- und 42 Vizeministerposten vergeben, um sich einigermaßen sicher gegen Anfeindungen zu fühlen. Einen administrativen Unterbau gibt es nicht – Somalias Regierung tagt in einem umgebauten Lagerhaus. Sie ist obendrein zerstritten, vor allem entlang Clan-Zugehörigkeiten.

Viel guter Wille der internationalen Gemeinschaft ist nötig

Wenn die Übergangsregierung jetzt, wie es den Anschein hat, in den zurückgewonnenen Gebieten die alten, in der Bevölkerung verhassten Warlords neu installiert, wird es nicht lange dauern, bis sich die Entrüstung erneut Bahn bricht. Nur wenn sie gewillt ist, eine Regierung der nationalen Einheit aufzustellen, die diesen Namen auch verdient, wird sie langfristig tragbar sein. Wenn sie clever ist, widmet sie die Millionen Dollar, mit der sie vom Westen alimentiert wird, in soziale Dienstleistungen um, die unmittelbar der einfachen Bevölkerung zugute kommen. Dies war den Scharia-Gerichtshöfen nicht gelungen, hier könnte die neue alte Regierung punkten.

Es wird viel guten Willen der internationalen Gemeinschaft kosten, den fünfzehnten Anlauf einer umfassenden und repräsentativen Regierungsbildung zu unterstützen – und zu finanzieren. Die letzte Runde dauerte zwei Jahre und verschlang Millionen. Immerhin: Am Donnerstag (28.12.) hat Schweden eine neue EU-Initiative angekündigt. Vielleicht mag sich ja auch Deutschland engagieren, wenn es am 1. Januar die Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt.