Amerikaner gegen Russen - Droht eine Eskalation?
Eigentlich wollten Washington und Moskau genau das immer verhindern: einen direkten Zusammenstoß. Mit gutem Grund. Die Lage kann schnell eskalieren. Kein Wunder, dass das Weiße Haus und der Kreml dementieren, schweigen, wortreich Nebelkerzen werfen. Nur nicht die Lage außer Kontrolle geraten lassen! Doch so einfach ist das nicht. Die Frauen der in Syrien getöteten russischen Soldaten schweigen nicht. Sie schreien ihr Unglück hinaus in die sozialen Netze. Die tragen sie weiter in die Haushalte von Wladiwostok bis Petersburg. Das hat Folgen. Sogar die sonst zahmen russischen Abgeordneten, die immer brav das tun, was der Präsident von ihnen erwartet, stellen inzwischen unbequeme Fragen: Was ist da vor einigen Tagen in Syrien eigentlich passiert? Sie wollen der Sache auf den Grund gehen.
Kritische Fragen an Putin kurz vor der Wahl
Das bringt Putin in eine schwierige Lage - wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen. Es lässt ihn schwach aussehen. Viele Russen fragen: "Was tut unser Präsident, wenn Amerikaner unsere jungen Männer töten - Söldner hin, Söldner her?" Den einmal entfachten Zorn des Volkes kann kaum jemand lenken. Vor allem nicht in Russland, wo die Medien die USA rund um die Uhr verteufeln.
In Syrien bewegen sich Amerikaner und Russen sich auf rechtlich schwankendem Boden. Welcher UN-Beschluss deckt die Präsenz von rund 2000 US-Soldaten in Syrien? Welche militärischen Handlungen rechtfertigt der Kampf gegen den sogenannten "Islamischen Staat"?
In Russland verbietet das Gesetz Söldnerheere. Dabei kämpfen sie seit Jahren schon im Osten der Ukraine, in Syrien und anderswo. Aber wollen das die Russen? Eine breit geführte Diskussion über den von Präsident Putin verkündeten Sieg in Syrien kann dem Kremlchef nur schaden. Also schweigt er. Vorerst.
Dass die Amerikaner nicht absichtlich Russen getötet haben, mag sein. Auf jeden Fall haben sie dieses Risiko billigend in Kauf genommen. Bei dem Einsatz ging es um die Kontrolle einer Erdölquelle. Verbündete der USA wollten sie nicht dem syrischen Präsidenten Assad und seinen ausländischen Söldnern überlassen. Also schlugen sie mit Unterstützung amerikanischer Bomber zu.
Keine direkten Gesprächsfäden mehr
Stellvertreterkriege haben sich Amerikaner und Russen seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder geliefert. Früher hätten funktionierende diplomatische Drähte verhindert, dass es zur direkten Konfrontation kommt. Doch derzeit gibt es kaum noch bilaterale Gespräche, keine persönlichen Kontakte in beiden Machtzentren, kein Vertrauen. Im Gegenteil: Nach dem Versuch der Russen, die US-Wahlen zu beeinflussen, können dem Kongress die Sanktionen gegen ihren Intimfeind gar nicht scharf genug sein.
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz am diesem Wochenende werden die Teilnehmer zur Besonnenheit aufrufen. Es wird - hoffentlich - zu direkten amerikanisch-russischen Gesprächen kommen, die über den üblichen Austausch von gegenseitigen Vorwürfen hinausgehen. Beide Seiten sollten vor allem vereinbaren, wie es weitergehen soll. Denn was passiert eigentlich, wenn mit Hilfe Moskaus US-Soldaten in Afghanistan, im Irak oder in Syrien getötet werden?
Amerikaner und Russen tragen Verantwortung für den Frieden. Dieser gilt es gerecht zu werden. Russland muss lernen, dass es einen hohen Preis dafür zahlt, wenn seine Interessen im Ausland ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. Der US-Kongress sollte sich weniger von Gefühlen und mehr von nationalen Interessen leiten lassen. Washington muss wieder ins Gespräch mit Moskau kommen.
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