Noch ist ja nichts passiert. Noch sind es nur die "Märkte", die es da gerade ziemlich heftig durchschüttelt. Gut, da werden pro Handelsminute rund um den Globus gerade ein paar Milliarden Dollar vernichtet. Aber angesichts der Schwindel erregenden Höhen, auf denen sich viele Aktienindizes in den letzten Wochen und Monaten bewegten, ist der aktuelle Absturz nicht wirklich eine Überraschung.
Sicher, es sind eine Menge schlechter Nachrichten, die die überhitzten Finanzmärkte in den letzten Wochen zu verkraften hatten, allen voran aus China. Wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt einen derartigen Schwächeanfall hat, dann kann das die Anleger schon nervös machen. Aber das ist ja nicht der einzige Grund. Es sind auch andere einst als Hoffnungsträger geltende Schwellenländer, die Sorgen machen. Russland etwa, geschwächt von Sanktionen des Westens und hausgemachten Problemen. Oder Brasilien, das wie Russland vor allem auf Rohstoffexporte setzt und nun durch eine sinkende Nachfrage und dadurch fallende Preise in die Rezession gerutscht ist.
Wohin bloß mit dem Geld?
Freilich macht es sich zu einfach, wer die Ursache nur in den taumelnden Schwellenländern sucht. Denn der Boom an den Aktienmärkten, der nun schon seit sieben Jahren anhält, ist quasi von den Notenbanken der Welt subventioniert. Fed und EZB pumpen seit dem Lehman-Crash Billionen an Dollar und Euro in die Märkte, während sie die Zinsen nahe Null drückten. Wo aber soll all das Geld hin? Es muss ja irgendwie gewinnbringend angelegt werden, vor allem, wenn Pensionsfonds und Versicherungen ihre Renditeversprechen halten wollen.
Also investierte man vorwiegend in Aktien mit allen denkbaren Spielarten. Aber, und dieser Satz steht als Warnhinweis unter jedem Geschäft mit Wertpapieren: Aktien unterliegen Kursschwankungen, die auch zum Totalverlust führen können. Immer schön auf den Beipackzettel achten! Hinzu kommt ein anderes Phänomen dieser wilden Jahre. Die von Anlegern hofierten Unternehmen nutzen ihre beträchtlichen Gewinne nur noch in zweiter Linie für neue Investitionen, sondern belohnen lieber ihre Aktionäre mit üppigen Renditen.
Keine Fragen, wenn es brummt
Es ist aber auch nicht so, als sei dies der erste Crash in den vergangenen Jahren. Die Märkte - so hatten es viele Experten angesichts der Billig-Geld-Blase vorhergesagt - würden extrem volatil, also schwankend sein. Erinnert sei nur an den vergangenen Herbst, als der Dax plötzlich gen Süden rauschte und erst bei 8400 Punkten Halt fand. Der Grund: Konjunktursorgen. Die stellten sich als unbegründet heraus. Danach ging es rasant bergauf, um 4000 Punkte innerhalb eines halben Jahres. Erst bei einem neuen Rekordhoch von 12.390 Zählern fand die Jagd ein Ende. Lustig, dass in solchen Phasen keiner nach den Gründen fragt. Aber wehe, es geht bergab, da werden alle nervös und wollen wissen, warum es abwärts geht und wann der Boden erreicht ist.
In solchen Fällen hilft ein Blick auf die nackten Zahlen. Die Exportnation Deutschland liefert ihre Waren vor allem nach Europa, nur sieben Prozent gehen nach China. Mag sein, dass Pekings Probleme einigen deutschen Firmenlenkern, vor allem aus der Autobranche, schlaflose Nächte bereiten. Aber viele andere haben diese Sorgen nicht. Ein anderer beruhigender Fakt ist der Zustand der US-Wirtschaft, die sich auf Wachstumskurs befindet. Dazu kommen derzeit günstige Preise für Rohstoffe wie Öl und Kupfer. Das sorgt in den Lieferländern für Probleme, für Bezieher hingegen ist es ein Konjunkturprogramm.
Vieles liegt nun in den Händen der US-Notenbank Fed und ihrer Chefin Janet Yellen. Denn schon allein die Ankündigung einer Wende hin zu wieder steigenden Zinsen löst vor allem in Schwellenländern große Ängste aus. Investoren ziehen schon seit geraumer Zeit massiv Geld von dort ab, weil sie sich in den USA höhere Zinsen versprechen. Es ist ein Teufelskreis. Doch irgendwann muss die Krisenmedizin aus Geldflut und Nullzinsen abgesetzt werden. Das Problem: Sollte sich Chinas Krise ausweiten und die Weltwirtschaft mit nach unten ziehen, dann fehlt es dem Westen schon jetzt an Instrumenten, sich dagegen zu wappnen. Der Lehman-Crash - er wirkt noch immer nach.