Es geht einem ein bisschen wie Goethes Faust: "Da steh' ich nun, ich armer Tor und bin so schlau als wie zuvor." Tagelang war von vielen Seiten gefordert worden, Franz Beckenbauer, der ehemalige Chef des WM-Organisationskomitees, müsse sich endlich zu den im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erhobenen Vorwürfen äußern, damit Klarheit in die WM-Vergabe-Affäre komme. Nun hat er sich geäußert, aber nur in einer kurzen und knappen 16-Zeilen-Stellungnahme - trotzdem sind weiterhin viele, wenn nicht sogar alle Fragen offen.
Wohin sind die ominösen 6,7 Millionen Euro geflossen? An die FIFA-Finanzkommission, wie Beckenbauer und DFB-Chef Wolfgang Niersbach behaupten? Die FIFA sagt, das stimme nicht, und den ehemaligen Leiter der Kommission, den Argentinier Julio Grondona, kann man nicht mehr fragen. Er ist seit über einem Jahr tot.
Was ist mit dem Vier-Augen-Gespräch zwischen Beckenbauer und Joseph Blatter, das Niersbach in seiner katastrophalen Pressekonferenz am Donnerstag erwähnt hat? Hat es tatsächlich stattgefunden? Blatter behauptet, nein. Beckenbauer sagt dazu gar nichts.
Was ist mit dem Vorwurf des Stimmenkaufs? Glaubt man den Behauptungen des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, dann hat Günter Netzer, damals WM-Botschafter, Zwanziger gegenüber in einem Gespräch bestätigt, man habe vier Stimmen von asiatischen Fußballverbänden gekauft. Netzer dementierte und tauchte ab. Beckenbauer behauptet nun auch, es habe keinen Stimmenkauf gegeben.
Zwanziger auf Rachefeldzug?
Ist das also alles nur ein öffentliches Mit-Dreck-um-sich-Schmeißen Zwanzigers, der sich auf einem persönlichen Rachefeldzug gegen Niersbach und den DFB zu befinden scheint und am Dienstag mit neuen Vorwürfen zum Thema Schmiergeld und Stimmenkauf nachlegte?
Und woher kamen die 6,7 Millionen überhaupt? Wenigstens das hätte Beckenbauer doch verraten können. Von adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus? Auf persönliche Anfrage Beckenbauers? Hat der Kaiser tatsächlich einen auf die eigene Person ausgestellten Schuldschein unterschrieben, wie der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt behauptet? Auch hierzu keine Antworten oder erhellende Fakten Beckenbauers.
Stattdessen schließt der ehemalige Chef des WM-Organisationskomitees sein kurzes Statement mit der Ankündigung: "Um die weiteren Befragungen nicht zu beeinträchtigen, werde ich mich anders als andere Beteiligte, deren Verhalten ich teilweise als unsäglich empfinde, derzeit nicht weiter äußern."
Ganz ehrlich, Herr Beckenbauer, das reicht nicht! 16 Zeilen sind nicht genug, um ein dichtes Geflecht von Filz, Vetternwirtschaft, Lügen, Bestechung und Tricksereien aufzuklären. So bleibt alles wie gehabt. Die bei der WM-Vergabe für 2006 unmittelbar beteiligten Personen schweigen entweder, geben sich völlig ahnungslos oder präsentieren ihre angeblichen Wahrheiten nur häppchenweise.
Während alle dabei mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigen, werden der DFB und vor allem sein Präsident Wolfgang Niersbach - der daran zum großen Teil auch selbst schuld ist - immer weiter beschädigt. Schließlich ist Niersbach im Gegensatz zu Zwanziger, Beckenbauer, Blatter und Netzer der einzige, der wirklich etwas zu verlieren hat: das Amt des DFB-Präsidenten.
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