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Politik

Kolumbien: "Ich habe ein Recht auf Frieden"

Lewis Sanders IV
24. November 2016

In Kolumbien ist der neue Friedensvertrag zwischen FARC-Rebellen und Regierung unterzeichnet worden. Präsident Juan Manuel Santos will die zweite Version dem Kongress in Bogotá vorgelegen - nicht dem Volk.

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Plakat beim Marsch für den Frieden in Medellin, Kolumbien (Foto: picture alliance/dpa/L.-E. Noriega)
Bild: pictue alliance/dpa/L.-E. Noriega

Mehr als einen Monat nach der Ablehnung des historischen Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC in einem Volksentscheid haben am Donnerstag (24.11.) beide Parteien eine neue Version unterzeichnet. Präsident Juan Manuel Santos will den überarbeiteten Vertrag dem Kongress vorlegen. Ein neues Referendum soll nicht stattfinden.

Mit dem neuen Deal versucht der Präsident sein Vermächtnis als Friedensstifter zu zementieren, indem er den längsten andauernden Bürgerkrieg der Welt beenden will. Für seine Bemühungen hatte er kurz nach dem Referendum am 2. Oktober sogar den Friedensnobelpreis erhalten.

Die Gegner des Abkommens, die von dem ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe angeführt werden, stemmen sich jedoch weiterhin gegen den Friedensvertrag. Auch die überarbeitete Version gehe nicht ausreichend auf die Fehler aus dem ersten abgelehnten Abkommen ein. Ihre Kritik richtet sich gegen ein in ihren Augen zu geringes Strafmaß für Kriegsverbrechen der Rebellen, die Garantie für Parlamentssitzen für ehemalige FARC-Kämpfer und sowie die angestrebte Agrarreform.

Kolumbien Bogota - Juan Manuel Santos bei Pressekonferenz zum Friedensnobelpreis (Foto: Getty Images/AFP/G. Legaria)
Präsident Santos kämpft auch um seinen Platz in der Geschichte Kolumbiens - hier nach der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2016 mit seiner FrauBild: Getty Images/AFP/G. Legaria

Präsident Santos ließ die Einwände nicht gelten: Die jüngste Version berücksichtige die Bedenken der Opposition. Darin würden der Schutz von Besitzrechte gestärkt, die Regeln der politischen Beteiligung der FARC überarbeitet und die Mechanismen zur Umsetzung des Abkommens verbessert.

"Das neue Abkommen definiert die Sondergerichtsbarkeit für Ex-Kämpfer genau und legt klare Standards fest. Die Justiz kann in jedem einzelnen Fall Sanktionen und andere Maßnahmen festlegen und verhängen", sagte Santos.

"Ein neuer Genozid"

Oppositionsführer Uribe wies indes in einer Erklärung Anschuldigungen zurück, die Gegner des Friedensabkommens hätten vor und nach dem Referendum politische Gewalt angeheizt. In der vergangenen Woche wurden fünf Friedensaktivitäten erschossen. 

"Die Regierung versucht, die Bürger in die Irre zu führen, in dem sie diejenigen für die Gewaltausbrüche verantwortlich macht, die gegen ein Abkommen sind, das der FARC Straffreiheit zusichert", erklärte Uribe in einem am Mittwoch veröffentlichten Statement.

Für Uribe liegen die Ursachen der Gewalt woanders: "Die öffentliche Sicherheit wird vernachlässigt, die Zusammenhalt zwischen Bürgern zerbricht, in der Armee mangelt es an Motivation und der Drogenhandel wächst exzessiv." Zudem werde FARC-Rebellen und ihren Dissidenten von der "Nationalen Befreiungsarmee" (ELN) sowie mehr als 3.500 kriminellen Banden Straffreiheit garantiert.

Welle der Gewalt

Nach Angaben der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation "Permanentes Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte" (CPDH) richtet sich die Gewalt insbesondere gegen die Befürworter des Friedensabkommens. Seit Januar seien mindestens 70  Anführer der kolumbianischen Zivilgesellschaft getötet worden seien. "Die Attacken offenbaren einen systematischen Plan, Gegner zu eliminieren und den aktuellen Friedensprozess zu attackieren", heißt es in einem Statement der Organisation.

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"Es müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um die Angriffe gegen Friedensaktivisten zu unterbinden - das muss Priorität sein,", teilte die CPDH  mit. "Auch wenn Post-Konflikt-Phasen weltweit blutig verlaufen, die Welle der Gewalt muss untersucht werden."

Die CPDH, die der "International Federation for Human Rights" mit Sitz in Paris angehört, hat seit 2016 insgesamt 314 Fälle von Gewalt in Zusammenhang mit dem Friedensprozess dokumentiert. Darunter 232 Bedrohungen, 21 Angriffe und 70 Ermordungen von lokalen Anführern.

Die jüngste Gewaltserie veranlasste sogar die FARC dazu, einen offenen Brief an Präsident Santos zu veröffentlichen. Darin fordern die Rebellen ihn auf, endlich gegen die Straflosigkeit bei den Morden an Friedensaktivisten aus dem ländlichen Raum aufzuheben.

"Die Situation ist sehr dramatisch und beunruhigend: In diesem Jahr sind mehr als 200 Tote zu beklagen, über denen ein Mantel der Straflosigkeit liegt. Es ist ein neuer Völkermord gegen Anführer sozialer Bewegungen und Landarbeiter im Gange", schreibt die FARC in dem Brief.

Wiederholt sich die Geschichte?

Aida Avella, Präsidentin der linksorientierten Partei "Union Patriotica" flüchtete in den 1990er Jahren vor der Ermordung durch mutmaßliche rechte paramilitärische Gruppen. Für sie fühlte sich die jüngste Gewalt nur allzu bekannt an.

Politikerin Aida Avella (Foto: pictue alliance/dpa/L. Muñoz )
Links-Politikerin Aida Avella fühlt sich an Gewalt der 1990er Jahre erinnertBild: pictue alliance/dpa/L. Muñoz

"Ich habe damals hunderte meiner Mitstreiter begraben. Vergangene Woche fühlte ich mich in die 1980er und 1990er Jahre zurückversetzt", sagte Avilla der US-amerikanischen Zeitung "Miami Herald". "Jeden Tag erreichen uns Nachrichten von Menschen, die getötet, verschleppt oder angeschossen wurden. Es fühlt sich an, als würde sich die Geschichte wiederholen."

Unterdessen rief Ex-Präsident Uribe die Bürger dazu auf, "nicht locker zu lassen in ihrem Kampf für die Zukunft der Demokratie". Er kündigte weitere Aktionen gegen die bevorstehende Ratifizierung des Friedensabkommens an. 

Während Uribe mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2018 auf Verzögerung setzt, verteidigt Präsident Santos das neue Abkommen: "Ohne Friedensabkommen wächst das Risiko neuer Übergriffe", fürchtet er. Ein erneutes Scheitern des Vertrages würde zu weiteren Angriffen auf die Befürworter führen.