Kolumbien: Waffenruhe wegen Corona
30. März 2020"Beendet die Seuche namens Krieg und bekämpft die Krankheit, die unsere Welt verwüstet", hatte der Chef der Vereinten Nationen, António Guterres am vergangenen Montag in New York gefordert. Ähnlich äußerte sich die in Kolumbien im Rahmen des Friedensprozesses tätige Wahrheitskommission. "Die Geschichte werde über die richten, die sich in dieser schwierigen Lage nicht auf die Seite des Lebens und der Menschlichkeit stellen", sagte der Leiter der Wahrheitskommission, Jesuitenpater Francisco de Roux in einer Videobotschaft. Während die Pandemie jeden Tag neue Schwierigkeiten bringe, gehe die Ermordung sozialer Aktivisten in verschiedenen Landesteilen einfach weiter, so de Roux.
"Solidarität und Schutz des Lebens sind gefordert"
Zahlreiche Gemeinden litten weiterhin unter bewaffneter Konfrontation, Einschüchterung, Angst und Terror. Angesichts der derzeitigen Gefahren durch die Pandemie müssten nun die Solidarität, der Schutz des Lebens und der Gesundheit über allen politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Erwägungen stehen.
Aufgabe der Wahrheitskommission ist im Friedensprozess unter anderem die Aufarbeitung der während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs begangenen Gewalttaten. Im Jahr 2016 einigten sich der kolumbianische Staat und die linksgerichtete Guerilla-Organisation FARC auf einen Friedensvertrag. Im Land sind aber weiterhin rechtsgerichtete paramilitärische Banden und linksgerichtete Guerilla-Gruppen aktiv.
Die norwegische Außenministerin Ine Eriksen Søreide zeigte sich erfreut über die verkündete Waffenruhe der kolumbianischenELN, die zunächst vom 1. bis 30. April gelten soll. "Es ist ermutigend, dass die ELN eine einseitige Waffenruhe erklärt hat, um die gemeinsame Bedrohung zu bekämpfen, die Covid-19 darstellt", erklärte sie. Es handele sich um ein weiteres Beispiel dafür, dass Konfliktparteien der Forderung von Guterres folgten.
ELN lässt Geiseln frei
Die marxistische Guerilla-Organisation hatte am Donnerstag in Kolumbien drei Geiseln freigelassen. Das bestätigte laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Semana" das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Die Geiseln würden nun gesundheitlich untersucht und könnten dann zu ihren Familien zurückkehren. Die Identität der freigelassenen Geiseln wurde nicht bekanntgegeben.
Kolumbiens konservativer Präsident Ivan Duque hatte vor wenigen Wochen noch einmal die Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit der ELN genannt. Wenn diese ihrer Verantwortung zum Frieden in Kolumbien nachkommen wolle, dann müsse sie alle ihre Geiseln freilassen und ihre kriminellen Aktivitäten beenden.
Die Gespräche mit der ELN begannen im Februar 2017 noch unter der alten Regierung Santos und wurden im Mai 2018 in die kubanische Hauptstadt Havanna verlegt. Nach einem Bombenattentat der ELN auf eine Polizeischule in Bogota, bei der im Januar vergangenen Jahres insgesamt 22 Menschen starben und 66 Personen verletzt wurden, stoppte Kolumbiens Präsident Ivan Duque die Friedensgespräche.
Laut Schätzungen der Behörden verfügt die ELN über eine Truppenstärke von 2500 Männern und Frauen; sie ist überwiegend im Osten Kolumbiens aktiv. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen rund 7000 Morde, ebenso viele Entführungen, 3000 Fälle von Landvertreibung und etwa 1000 Zwangsrekrutierungen auf das Konto der marxistischen Gruppe. Die ELN wird zudem für schwere Umweltzerstörungen durch über 1300 Anschläge auf Öl-Pipelines verantwortlich gemacht.
hf/se (dpa, kna)