Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort stärken
30. Januar 2020Nach einer sechsstündigen Sitzung im Berliner Kanzleramt gaben die Parteichefs der Großen Koalition in der Nacht zum Donnerstag ein ganzes Bündel von Beschlüssen bekannt, mit denen auf die Veränderungen in der Arbeitswelt und im Agrarbereich reagiert werden soll: Neben Milliardenhilfen für Bauern soll es eine längere Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld in Branchen mit Strukturproblemen geben, außerdem steuerliche Anreize für Investitionen in Zukunftstechnologien und eine Unterstützung des Transformationsprozesses in der Autoindustrie.
Die Vorsitzenden von CDU, SPD und CSU werteten die Beschlüsse als Beleg dafür, dass die Regierungskoalition handlungsfähig ist. "Wer hätte im Dezember gedacht, dass die Koalition so weit voranschreitet", sagte CSU-Chef Markus Söder. Norbert Walter-Borjans von den Sozialdemokraten sprach von "intensiven Diskussionen in guter Atmosphäre". Das Treffen war der zweite Koalitionsausschuss nach dem Wechsel an der Spitze der SPD im Dezember.
Wohin mit dem vielen Geld?
Allerdings erzielten die Koalitionsspitzen noch keine Einigung in der Frage, wie mit dem Rekordüberschuss im Haushalt umgegangen wird. Sie setzten eine Arbeitsgruppe ein, um "neue Investitionsbedarfe zu identifizieren", wie Walter-Borjans sagte. Die Gruppe solle bis zum nächsten Spitzentreffen Vorschläge für Investitionen und Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung vorlegen.
In der großen Koalition dringt vor allem die SPD auf massive Investitionen, für die sie auch die Aufnahme neuer Schulden in Kauf nehmen will. Die Union lehnt eine Abkehr von der schwarzen Null ab - sie strebt eine Senkung der Unternehmenssteuer an.
Neues Steuerrecht
Auch eine Steuerreform vereinbarten die Koalitionsspitzen noch nicht, sie sprachen sich in ihrem Beschlusspapier aber für eine "mittelstands- und innovationsfreundlichere Ausgestaltung des Steuerrechts" aus. Für Investitionen in digitale Innovation soll es bessere Abschreibungsmöglichkeiten geben. Zudem soll die steuerliche Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften behoben werden.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, die Koalition gehe mit den Beschlüssen auf den tiefgreifenden Transformationsprozess in Wirtschaft und Arbeitswelt ein. "Wir wollen den Wandel nicht erleiden, wir wollen ihn gestalten", sagte sie. "Wir wollen den Wirtschaftsstandort strukturell stärken."
Dialog für die Autobranche
Die Koalitionsspitzen fassten mehrere arbeitsmarktpolitische Beschlüsse. So soll das Kurzarbeitergeld in Branchen mit schweren Strukturproblemen drei Jahre lang auf 24 Monate verlängert werden können, wenn die verlängerte Auszahlung mit einer Weiterbildung verbunden ist. In diesem Fall können auch Sozialversicherungsbeiträge hälftig übernommen werden. Für Weiterbildungen sollen Unternehmen höhere Zuschüsse von der Bundesagentur für Arbeit bekommen.
Besonders von Strukturwandel betroffen ist die Autobranche, weswegen die Koalitionsspitzen hier besondere Unterstützung vereinbarten. In den betroffenen Regionen sollen "Transformationsdialoge Automobilindustrie" eingerichtet werden, in denen die beteiligten Akteure beraten, wie durch Zukunftstechnologien neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
CSU-Chef Söder hob vor allem die zusätzlichen Hilfen für die Landwirtschaft hervor. Mit einer "Bauernmilliarde" sollen die Landwirte in den kommenden vier Jahren bei Investitionen im Bereich Agrarumwelt unterstützt werden. Dadurch sollten "Härten für die Landwirtschaft verringert werden", sagte Söder. Hintergrund sind die massiven Bauernproteste der vergangenen Wochen. Das Geld soll die von vielen Landwirten heftig abgelehnte Verschärfung der Düngeverordnung abfedern.
ww/fab (afp, dpa, rtr)