GroKo legt Ziel für Ratspräsidenschaft fest
23. Juni 2020Die dauerhafte Überwindung der Corona-Pandemie und die wirtschaftliche Erholung in Europa sind für die Große Koalition in Berlin die zentralen Aufgaben während der am 1. Juli beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Darauf haben sich die Spitzen von Union und SPD bei Beratungen des Koalitionsausschusses im Kanzleramt verständigt. Das Kabinett will das Programm am Mittwoch verabschieden. Deutschland übernimmt im zweiten Halbjahr turnusmäßig die Führungsrolle in der Europäischen Union von Kroatien.
Schnell das Merkel-Macron-Programm umsetzen
"Mit der COVID-19-Pandemie steht die Europäische Union vor einer schicksalhaften Herausforderung", heißt es in einem gemeinsamen Papier der Koalitionspartner. Deutschland werde sich während seiner Ratspräsidentschaft "mit ganzer Kraft dafür einsetzen, diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerichtet zu meistern und Europa wieder stark zu machen". Die Bundesregierung will sich dabei vom Ziel eines stärkeren, innovativeren, gerechten und nachhaltigen Europa leiten lassen. Weitere "Leitgedanken" sind demnach ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte sowie ein starkes Europa in der Welt.
Es werde wegen der Corona-Pandemie und der schweren wirtschaftlichen Folgen in Europa "eine besondere Ratspräsidentschaft" sein, sagte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nach den zweieinhalbstündigen Beratungen. Deutschland wolle ein "respektvoller Vermittler" sein. Ziel sei unter anderem, sehr schnell das Merkel-Macron-Programm umzusetzen. "Uns geht es darum, dass wir zeigen, Deutschlands Ratspräsidentschaft steht für ein soziales Europa, für ein gerechtes Europa, für ein nachhaltiges Europa und für eines, das gemeinsam Zukunftschancen wahrnimmt." Das sei auch nötig, weil Europa zwischen den "Blöcken" China und USA stehe. "Das heißt, der Zusammenhalt Europas wird das Wichtigste sein."
EU vor der Zerreißprobe
An dem Treffen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen die Partei- und Fraktionschefs der Koalition teil - mit Ausnahme von CSU-Chef Markus Söder, der wegen eines Termins bei einem bayerischen Wirtschaftsverband nicht nach Berlin reiste. Mit dabei waren zudem Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Außenminister Heiko Maas (beide SPD) sowie Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU). Schon vor dem Treffen hatte es aus Koalitionskreisen geheißen, dass keine konkreten Beschlüsse zu erwarten seien.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie innerhalb der EU aufzufangen, steht ein Vorschlag der EU-Kommission für einen schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsplan im Umfang von 750 Milliarden Euro zur Debatte. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an die EU-Staaten fließen, der Rest als Kredite. Die Schulden sollen bis 2058 gemeinsam aus dem EU-Haushalt abbezahlt werden. Verhandelt wird der Plan zusammen mit dem nicht minder umstrittenen nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1 Billionen Euro ansetzt.
Merkel hatte am Freitag nach einer Videokonferenz mit den europäischen Staats- und Regierungschefs angedeutet, dass die Verhandlungen über das 750-Milliarden-Programm zu einer Zerreißprobe für die EU werden könnten. Sie machte zudem deutlich, dass die Zeit drängt. Mitte Juli will EU-Ratschef Charles Michel bei einem weiteren EU-Gipfel neue Vorschläge vorlegen. "Es wird schwierig, es wird komplex", sagte der Belgier.
sam/ww (afp, dpa)