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Klopp: "Wenn du gut bist, bist du der Held"

Jana Schäfer Bearbeitung für das Internet: Sarah Wiertz
30. April 2019

Die Fans des FC Liverpool lechzen nach einem Titel. Auch Trainer Jürgen Klopp will endlich wieder als Endspiel-Sieger vom Rasen gehen. Aber es gibt Wichtigeres, wie Klopp vor dem Spiel gegen Barcelona erzählt.

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Jürgen Klopp
Bild: picture-alliance/PA Wire/P. Byrne

DW: Europa-League Finale 2016, Champions-League-Finale 2017 - jetzt noch den FC Barcelona schlagen und Sie wären zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren in einem europäischen Endspiel.

Jürgen Klopp: Wirklich? Beeindruckend, ja. Aber wir werden sehen. Barcelona ist ein verdammt gutes Fußballteam. Aber so ist es im Sport, wenn du dabei bist, willst du gewinnen. Wir sind sicher kein Traumlos. Es ist sicher nicht so, dass jemand denkt: "Oh Liverpool, lass sie uns weghauen." Ich habe bisher nie in einem Pflichtspiel gegen Barcelona gespielt, aber ich habe so viele andere Mannschaften beobachtet, wie sie gegen Barcelona verloren haben. Ich habe immer gedacht, es wäre interessant, selbst mal gegen das Team zu spielen und es auszuprobieren. Und jetzt versuchen wir es!

Was wird das Spiel entscheiden?

Wirklich mutig sein! Die Abwehrarbeit und der Mut, seinen eigenen Fußball zu spielen. Die große Herausforderung in diesem Spiel ist es, ein großes Frustrationspotential zu haben. Wenn Barcelona im Ballbesitz ist, sind sie nur schwer vom Ball zu trennen - das musst du akzeptieren. Aber es wird auch Momente geben, in denen wir den Ball haben, und dann müssen wir sofort Gefahr ausstrahlen.

Was ist für den Klub wichtiger - die Champions League zu gewinnen oder die Meisterschaft in der Premier League?

Eine beliebte Frage derzeit. Freitagabend geht es darum, ein Premier League-Spiel zu gewinnen [Anmerkung der Redaktion: Liverpool gewann das Spiel gegen Huddersfield mit 5:0], am Mittwoch dann die Partie in der Champions League. Samstag danach ist es dann wieder die Premier League, am Dienstag darauf wiederum die Königsklasse. Wir müssen in jedem Spiel unsere besten Leistungen abrufen. Aber wenn du die Leute fragst, ist die Antwort offensichtlich: der Titel in der Liga.

Vergangenes Jahr waren Sie ganz nah dran, den Titel in der Königsklasse zu gewinnen.

Ich stand bereits sechsmal mit einem Team in einem Endspiel und habe sechsmal verloren. Aber das macht mich nicht zu einer gebrochenen Person oder so. Für mich bedeutet das Leben, es immer wieder zu versuchen. Wenn nur Gewinner überleben dürfen, können wir alle einpacken. Aber man muss immer alles geben. Und das haben wir jedes Mal getan. Also kann ich damit leben. Es waren nicht gerade die besten Tage meines Lebens, sie schaffen es auch nicht in meine Top-Five. Aber trotzdem sind es sehr wichtige Erfahrungen für mich, und ich will sie für die Zukunft nutzen. Wenn der liebe Gott mich dafür braucht, um zu zeigen, dass jemand sechs Endspiele in Folge verliert und er es tatsächlich auch noch ein siebtes Mal versucht, dann bin ich die perfekte Person dafür. Keine Ahnung, wer das entschieden hat, aber offensichtlich ist das ein lustiger Kerl.

Fußball Liverpool Trainer Jürgen Klopp
"Wandgemälde" vom Straßenkünstler Akse in LiverpoolBild: Getty Images/AFP/P. Ellis

Sie heben Sich durch Ihre Art von anderen Trainerkollegen ab.

Ich habe zufälligerweise einige Gaben: Ich kann reden wie ein Wasserfall und ich schere mich nicht darum, was andere Leute über mich denken. Ich interessiere mich sehr für andere Leute, aber es interessiert mich nicht, was sie über mich denken. Das führt in vielen Situationen dazu, dass ich ganz ruhig bleibe, wenn 90 Prozent der Leute nervös werden. Das macht vielleicht den Unterschied aus. Das mögen aktuell wichtige Eigenschaften sein. Aber vor 200 Jahren hätte ich damit vielleicht auf der Straße geschlafen oder vor 500 Jahren vor dem König getanzt.

Sind Sie denn wirklich "The Normal One", also der ganz normale Typ, als den Sie sich hier in Liverpool vorgestellt haben? 

Ich sehe mich selbst als ganz normale Person. Ich habe viel mehr Fragen als Antworten. Soll heißen: Wie kann ich da besonders oder außergewöhnlich sein? Ich weiß etwas mehr über Fußball als die meisten anderen. Das stimmt. Das macht mich in dieser Sache vielleicht besonders. Und das ist mein Glück, dass meine besonderen Fähigkeiten derzeit gefragt sind. Ich kenne einige Hockeytrainer. Die arbeiten hart, fünfmal mehr als ich, aber verdienen nur vier Prozent von dem, was ich bekomme. Wäre ich also nicht glücklich, wäre ich verrückt. Aber ich bin klug genug, um genau das nicht allzu wichtig zu nehmen.

Welche Ihrer Eigenschaften ist besonders wichtig bei Ihrer Arbeit?

Mein Interesse für andere Menschen. Das war schon immer so. Das hat sich nicht geändert. Was sich geändert hat, sind die Probleme der Spieler, Social Media und solche Dinge. Es gibt viel mehr Druck. Je mehr Geld da ist, desto größer ist der Druck. Die Jungs sind so jung und werden jeden Tag be- und verurteilt. Es ist, als ob man ständig in einem Glashaus sitzt. Jeder beobachtet dich, sieht den kleinsten Fehler. Die Welt da draußen entscheidet: Wenn du gut bist, bist du der Held. Wenn nicht, bist du der größte Verlierer. Es gibt nur Schwarz und Weiß. Es gibt keine anderen Farben mehr.

UK Mohamed Salah und Jürgen Klopp
Inniges Verhältnis: Jürgen Klopp mit Stürmer Mohamed SalahBild: Reuters/L. Smith

Ich bin früh Vater geworden, deshalb habe ich früh gelernt, mich um jüngere Menschen zu kümmern. Und das mache ich auch heute noch. Die Spieler sind jetzt jünger als meine Söhne, und ich liebe es noch immer. Die Jungs habe alle Weltklassepotential. Nicht alle werden Weltklasseprofis, aber sie haben das Zeug dazu. Und meine Aufgabe ist es, sie tatsächlich zur Weltklasse zu machen. 80 Prozent dazu haben sie schon, aber die letzten 20 Prozent sind entscheidend. Und das ist mein Job.

Wenn einer Ihrer Spieler ins Ausland geht, was ist Ihr Rat?

Sei offen und lerne die Sprache so schnell du kannst! Was hier in England echt toll ist: Du sprichst drei Wörter in Englisch und der Engländer macht daraus einen Satz. Sie wollen dich wirklich verstehen. Das Wichtigste ist: Sei offen und lerne, lerne, lerne! Das hören junge Menschen vermutlich nicht gerne. Aber Lernen heißt tatsächlich vom Leben lernen.

Sie sind einer von drei Kandidaten für die Auszeichnung zum Deutschen Fußball-Botschafter. Was halten Sie von dieser Idee?

Ich finde es wichtig, dass Menschen ihre Position im Fußball nutzen sollten, um als eine Art Botschafter zu wirken, aber das muss kein Titel sein, das sollte passieren, ohne dass man darüber nachdenkt. Das Beste daran, in England zu leben, ist für mich zu sehen, dass sich Engländer und Deutsche so ähneln und gleichzeitig so unterschiedlich sind. Das ist unglaublich. Ich wollte immer mal im Ausland leben. Jetzt bin ich in England, und es ist eine sehr, sehr interessante Erfahrung.

Mit dem Brexit und den ganzen aktuellen Ereignissen sieht es zwar nicht so aus, aber die Europäische Union hat tatsächlich dazu geführt, dass wir uns alle näher gekommen sind. Ich mag diesen Grenz-Gedanken nicht. Was ich an der EU am meisten liebe ist, dass wir dahin reisen können, wohin wir wollen. In der EU ist nicht alles perfekt, aber ich liebe die Idee dahinter.

Jürgen Klopp (51), Spitzname "Kloppo", ist ein deutscher Fußballtrainer und ehemaliger - spieler. Nach mehreren kurzen Stationen im Amateurfußball war Klopp von 1990 bis 2008 für den 1. FSV Mainz 05 tätig, zunächst als Spieler und ab 2001 als Trainer. Diesen führte er 2004 erstmals in die Bundesliga. 2008 wechselte er zu Borussia Dortmund. Mit dem BVB wurde er in den Jahren 2011 und 2012 Deutscher Meister und gewann 2012 das Double aus Meisterschaft und Pokal. Außerdem erreichte er zwei weitere Pokalendspiele und 2013 das Finale der Champions League. Seit Oktober 2015 ist Klopp Teammanager beim FC Liverpool. Mit diesem Verein war er 2016 Finalist in der Europa League und stand 2018 im Finale der Königsklasse. Der FC Liverpool gewann 2005 die Champions League und wurde zuletzt 1990 englischer Meister. Jürgen Klopp ist für den Award "Deutscher Fußballbotschafter 2019" nominiert, der am 15.5. im Auswärtigen Amt in Berlin vom deutschen Außenminister Heiko Maas verliehen wird.

Das Interview führte Jana Schäfer.