Klinsmann zum DFB-Ehrenspielführer ernannt
3. November 2016"Das ist ein unvergesslicher Moment", sagte Jürgen Klinsmann nach seiner Auszeichnung zum Ehrenspielführer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit bewegter Stimme: "Dass sich unsere Bundeskanzlerin die Zeit nimmt - das werde ich für immer zu schätzen wissen." Klinsmann ist nach Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus erst der Fünfte, der diese hohe Auszeichnung erhält. Angela Merkel hatte den Welt- und Europameister von 1990 und 1996 zuvor als "großartigen Sportler, echten Sympathieträger und wunderbares Vorbild, weit über den Fußball hinaus" gewürdigt. Während der Heim-WM 2006, die Merkel euphorisch verfolgt hatte, habe "Klinsi" das ganze Land mitgerissen. "Ihnen ist als Bundestrainer etwas Großes gelungen", sagte Merkel.
"Er war ein Riesenspieler, eine Legende des Fußballs. Er hat für den deutschen und den internationalen Fußball sehr viel getan", lobte auch FIFA-Präsident Gianni Infantino: "Es ist sicher eine riesige Ehre für ihn - die aber absolut verdient ist." In Erfurt war der inzwischen in den USA lebende Klinsmann wieder "zu Gast bei Freunden" - damals das Motto der WM 2006 im eigenen Land. Vor zehn Jahren stieg der 108-malige Nationalspieler (47 Tore) - 36 Länderspiele bestritt er als Kapitän - in seiner Rolle als Bundestrainer zu einem der Protagonisten des Sommermärchens auf.
Nach der katastrophalen EM-Endrunde 2004 war der frühere Weltklassestürmer angetreten, um den deutschen Fußball wieder auf die Beine zu helfen. Der gelernte Bäcker kam als Fußball-Revolutionär. Als Trainer-Novize begann er bei den Grundlagen und importierte Trainingsmethoden aus den USA, die danach Maßstäbe setzten. Er widersetzte sich dem Gegenwind der Alteingesessenen und wurde dafür oft verlacht.
Doch der Erfolg gab Klinsmann recht. Deutschland spielte plötzlich frischen Fußball, Klinsmann war der Motivator, sein Nachfolger und damaliger Co-Trainer Joachim Löw der Taktiker im Hintergrund. Nach dem Halbfinal-Aus bei der Heim-WM gegen Italien (0:2 n.V.) in Dortmund flossen Tränen, fünf Tage später während der Fanfeier vor dem Brandenburger Tor in Berlin sagten über 150.000 Menschen "Danke". Danach trat Klinsmann zurück.
Keine Lobby bei den Bayern
Als "Klinsi" zwei Jahre später auch den großen FC Bayern modernisieren sollte, stieß der Coach jedoch an seine Grenzen. Trotz oder gerade auch wegen kurioser Neuerungen scheiterte die Mission spektakulär. Legendär sind die Buddha-Figuren, die Klinsmann in der Ruhezone des Mannschaftsquartiers an der Säbener Straße aufstellen ließ, Auch sportliche Entscheidungen, wie die Verpflichtung des US-Amerikaners Landon Donovan schwächten seinen Ruf als Fußballexperte innerhalb des Vereins. Letztlich wurde Klinsmann im Anschluss an den 29. Spieltag der Saison entlassen - nach einer 0:1-Heimniederlage gegen den FC Schalke. Die Kritiker, die ihm immer die taktischen Fähigkeiten abgesprochen hatten, sahen sich doch noch bestätigt.
Klinsmann ging in seine zweite Heimat USA, von wo seine Frau stammt, und feierte dort wieder Erfolge. Er baute eine schlagkräftige Nationalmannschaft auf und schaffte es auch, die sonst bei Soccer eher reservierten Amerikaner für das Spiel und ihr Team zu begeistern. Mehr Fans als jemals zuvor verfolgten in den USA die WM 2014 am Fernseher. Und mittlerweile traut sich Klinsmann sogar, den Amerikanern etwas mehr als nur Demut gegenüber den großen Fußballnationen zu vermitteln - auch wenn bei der WM-Endrunde in Brasilien das Aus im Achtelfinale gegen Belgien kam.
Tore in Deutschland, England, Italien und Frankreich
Vor seiner Trainerlaufbahn begeisterte der Blondschopf die Fans in ganz Europa auf dem Rasen. Der Torjäger startete seine Karriere bei den Stuttgarter Kickers (1981 bis 1984), wechselt dann zum Stadtrivalen VfB (1984 bis 1989). Anschließend folgte der große Karrieresprung, der ihn zu Inter Mailand in die italienische Serie A führte (1989 bis 1992). Danach spielte Klinsmann noch für den AS Monaco, Tottenham Hotspur, Bayern München und Sampdoria Genua.
Viele Titel sammelte Klinsmann mit seinen Klubs allerdings nicht. Er war zweimal UEFA-Cup-Sieger - mit Mailand und den Bayern - und einmal deutscher Meister, 1997, ebenfalls mit den Münchenern. Den wenigen Pokalen stehen aber einige Spitznamen gegenüber: Bei Tottenham wurde "Klinsi" wegen seiner angeblichen Fallsucht im Strafraum zum "Diver", bei den Bayern wegen seiner technischen Schwächen zum "Flipper". Dennoch gewann Klinsmann in Deutschlands und England die Wahl zum Fußballer des Jahres. 1988 wurde Klinsmann Bundesliga-Torschützenkönig, im selben Jahr holte er mit dem deutschen Olympia-Team Bronze in Südkorea.
Die Höhepunkte seiner Karriere waren der WM-Sieg 1990 in Rom und der EM-Triumph 1996 im Londoner Wembleystadion - damals als Kapitän. Zwei Jahre später beendete Klinsmann seine aktive Laufbahn in der Nationalmannschaft.
asz/sw (sid, dpa)