Klimawandel: Deutliche Gesundheitsgefahr
14. November 2019Ärzte in Neu Delhi schlagen Alarm: Kinderlungen sind in Indiens Hauptstadt nicht mehr rosa, sondern schwarz. Weltweit bedroht der Klimawandel schon jetzt die Gesundheit von Kindern - und die Folgen werden sich verschlimmern, wenn nichts getan wird.
Das ergab der frisch veröffentlichte Jahresbericht des Klimaforschungsprojekts "The Lancet Countdown". Dabei gibt es auch gute Nachrichten: "In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der weltweiten Todesfälle - auch die der Kinder - zurückgegangen", sagte Anthony Costello, Ko-Vorsitzender der Lancet-Kommission, der DW. "Aber wir machen uns Sorgen, dass diese Fortschritte verloren gehen, wenn wir das Problem des Klimawandels nicht dringend angehen."
Am "Lancet"-Bericht haben 35 internationale Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank mitgearbeitet. Die Studie zeigt: Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Klimawandel, Umweltzerstörung und weltweiter Gesundheit.
Erschwerter Zugang zu Lebensmitteln
Steigende Temperaturen führen zu Hunger und Unterernährung. Infektionskrankheiten und extreme Wetterereignisse nehmen zu. Zeitgleich schadet die Luftverschmutzung der menschliche Lunge. Ein Baby, das heute zur Welt kommt, ist von Anfang an diesen Folgen des Klimawandels ausgesetzt.
Steigende Temperaturen sorgen zusammen mit Dürre und Überschwemmungen für einen Rückgang der weltweiten Ernteerträge. Die Folge: Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage und Lebensmittelpreise schießen in die Höhe. Das wiederum führt zu Hunger und Unterernährung. Von diesem Teufelskreis sind besonders Länder betroffen, die stark von der Landwirtschaft abhängig sind - wie zum Beispiel Burkina Faso.
"In Burkina Faso sind über zehn Prozent der fünfjährigen Kinder unterernährt", sagt Maurice Ye der DW. "Die Zahl wird sich noch erhöhen, wenn nichts unternommen wird, um das Problem zu lösen." Ye ist Berater beim Malaria-Kontroll-Programm auf Madagaskar und stammt selbst ursprünglich aus Burkina Faso.
Indische Kinder leiden unter Mangelernährung
In Indien ist Mangelernährung die häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren. So steht es im "Lancet"-Report.
Aber nicht nur Hunger, sondern auch zu viel ungesundes Essen schadet der kindlichen Gesundheit. Und da kommen wieder die schlechten Ernteerträge ins Spiel. Denn wenn sich die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide und Reis erhöhen, greifen Verbraucher lieber zu verarbeiteten Lebensmitteln - die sind oft billiger aber auch ungesünder.
"Dann landet man am anderen Ende des Spektrums, nämlich bei Übergewicht und Adipositas", erklärt Poornima Prabhakaran der DW. Sie ist stellvertretende Direktorin am indischen Zentrum für Umweltgesundheit und ebenfalls an der "Lancet"-Studie beteiligt.
Ein tödlicher Nährboden
Auch der Anstieg an Infektionskrankheiten ist laut den Autoren des Berichts eine Folge des Klimawandels. Steigende Temperaturen, die Erwärmung des Wassers, wechselnde Niederschlagsmuster und hohe Luftfeuchtigkeit fördern die Ausbreitung von Bakterien und schaffen ideale Brutbedingungen für Moskitos, die Malaria oder Dengue-Fieber übertragen können.
Kinder unter fünf Jahren werden am meisten unter den Krankheiten leiden. Schon jetzt stirbt alle zwei Minuten ein Kind an Malaria. Im Jahr 2017 forderte die Krankheit insgesamt 435.000 Todesopfer, so die WHO.
Der Klimawandel wird auch dafür sorgen, dass Moskitos, die Dengue-Fieber übertragen, neue Länder zum Beispiel in Südeuropa erreichen. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist heute von der Krankheit bedroht, heißt es im "Lancet"-Bericht.
Wenn Kinder Unterernährung und Infektionskrankheiten überleben, bleibt noch die Bedrohung durch die verheerende Luftverschmutzung. Diese kann die Lungenfunktion beeinträchtigen, Asthma verschlimmern und das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen.
Hitze und Kälte schlagen zu
Auch extreme Wetterereignisse wie Waldbrände und Hitzewellen können die Gesundheit eines heute geborenen Kindes beeinträchtigen. In 152 von 196 Ländern waren seit 2001 mehr und mehr Menschen von Waldbränden betroffen.
Unter den rekordverdächtig hohen Temperaturen der letzten Jahre leiden wiederum besonders ältere Menschen. "Die Folgen von Hitze können Erschöpfung, Hitzschlag und die Verschlimmerung von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sein", so Poornima Prabhakaran.
Obwohl sich die Welt erwärmt, stellt Kälte immer noch ein Risiko für Menschen dar - besonders wenn diese keinen Zugang zur Energieversorgung haben. "Kälte tötet insgesamt mehr Menschen als Hitze", erklärt Anthony Costello von der Lancet-Kommission. Das sei vor allem auf soziale Faktoren zurückzuführen. Denn da die soziale Ungleichheit weltweit zunehme, seien mehr Menschen extremem Wetter schutzlos ausgesetzt.
Experten raten dringend zum Kohleausstieg
"Wir müssen die Gesundheit des Menschen in den Mittelpunkt rücken", fordert Poornima Prabhakaran. Die drei Experten sind sich einig, dass ein erster Schritt der Ausstieg aus der Kohlekraft sein müsse. Er sei technisch machbar, bedürfe aber härterer Politik und eines echten politischen Willens. Untätigkeit sei keine Option mehr.
Dazu Anthony Costello: "Es wird viel, viel schlimmer werden, wenn wir nicht sofort handeln."