Kohle wird unrentabel, Solar und Wind gewinnen
13. August 2020Strom aus Kohle galt lange Zeit als günstig. Die hohen Folgekosten durch Klimaschäden und Luftverschmutzung wurden dabei allerdings außer Acht gelassen.
Auch ohne die Folgekosten ist Stromerzeugung mit Kohle längst nicht mehr die günstigste Lösung: Weltweit produzieren neue Solar- und Windkraftanlagen vielerorts viel preiswerter. In Europa kostet heute Strom aus neuen großen Solarkraftwerken zwischen 1,5 und 6 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Bei neuen Steinkohlekraftwerken ist die Stromproduktion wesentlich teurer und liegt bei rund acht Cent pro kWh.
Auch Strom aus Erdgas ist oft günstiger als aus Kohle - darum verdrängt es vor allem in den USA und der EU zunehmend die Kohlekraft. Weltweit ging 2019 die Stromerzeugung mit Kohle im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent zurück, in der EU waren es sogar 24 Prozent, in den USA 16 Prozent.
Gleichzeitig stieg der Anteil von Erdgas zur weltweiten Stromerzeugung 2019 um vier Prozent, bei Windenergie um 12 Prozent und Photovoltaik um 22 Prozent.
Kohlestrom wird zunehmend unrentabel
Weil durch die Corona-Krise die Wirtschaft einbrach, sank auch der weltweite Strombedarf. Die Internationalen Energieagentur (IEA) schätzt, dass darum dieses Jahr acht Prozent weniger Kohle gebraucht wird als im Vorjahr.
In der EU wurde wegen der Corona-Krise laut Stromarktanalyst Dave Jones von der Londoner Denkfabrik EMBER im April 14 Prozent weniger Strom verbraucht, der Anteil von Kohlestrom sank dabei um 42 Prozent, in Deutschland um 55 Prozent.
"Wir erleben gerade eine besondere Situation im europäischen Strommarkt", sagt Thorsten Lenck, Strommarktexperte der Denkfabrik Agora Energiewende in Berlin.
"Zum einen ist Erdgas derzeit günstig. Dann gibt es den europäischen Emissionshandel und die Emissionszertifikate für eine Tonne CO2 werden dort zwischen 20 und 25 Euro gehandelt. Da Erdgaskraftwerke im Vergleich zu Kohlekraftwerken weniger CO2 freisetzen, müssen diese weniger CO2-Zertifikate kaufen", so Lenck gegenüber der DW. "Diese Kombination reicht derzeit aus, dass alte Kohlekraftwerke zunehmend stillstehen und Strom aus Gas günstiger ist. Wenn Erdgas so günstig bleibt und der CO2-Preis steigen sollte, wird sich die Verdrängung von Kohlestrom weiter verstärken."
Weiter Kohlekraft oder Tempo für Kohleausstieg?
Weltweit werden immer weniger neue Kohlekraftwerke geplant und gebaut. Doch auch 2019 gab es einen Zuwachs von 18 Gigawatt (GW), dabei kamen 46 GW Kohlekraftwerke dazu, eine Gesamtleistung von 28 GW wurden abgeschaltet. Das zeigt der gemeinsame Bericht der UN Umweltorganisation UNEP in Kooperation mit Bloomberg NEF und der Frankfurt School of Finance .
Gleichzeitig gingen Solarkraftwerke (118 GW), Wind (61 GW), Gas (30 GW) sowie 20 GW andere erneuerbare Energien wie Wasserkraft, Biomasse und Geothermie neu ans Netz. Im selben Zeitraum wurde die Atomkraft weiter reduziert – weltweit um fünf GW.
Laut Analyse der Londoner Denkfabrik Carbon Tracker machen Investitionen in Kohlekraftwerke heute weltweit keinen Sinn mehr. "Erneuerbare Energien sind der Kohle auf der ganzen Welt überlegen. Die geplanten Investitionen in die Kohlekraftwerke laufen Gefahr in den Sand gesetzt zu werden, zu 'stranded assets' zu werden", warnt Co-Autor Matthew Gray.
"Investoren sollen sich davor hüten, sich auf eine fortgesetzte Unterstützung der Regierungen für Kohle verlassen", ergänzt Mitautorin Sriya Sundaresan.
Stoppt China den Zuwachs von Kohlekraft?
Mehr als die Hälfte der Kohlekraftwerke weltweit stehen in China und deckt mit einer Kapazität von über 1000 GW rund 65 Prozent des Strombedarfs. China ist damit auch das Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß.
Der weitere Strombedarf wurde laut China Energy Portal in 2019 zu 18 Prozent mit Wasserkraft, Windkraft (sechs Prozent), Photovoltaik (drei Prozent) und mit Atomenergie (fünf Prozent) gedeckt.
China baute in den vergangenen Jahren die regenerativen Energien stark aus - die Erzeugung von Solarstrom wuchs im vergangenen Jahr so um 27 Prozent, Wind um 11 Prozent - doch auch die Kohlekraft um fünf Prozent und Atomenergie (18%).
Die chinesische Kohleindustrie drängt auf weiteren Ausbau und Kommunalverwaltungen wollen mit Genehmigungen für neue Kohlekraftwerke die Wirtschaft ankurbeln. Dabei gab es in China schon in den letzten Jahren eine Überkapazität von Kohlekraftwerken und immer mehr Insolvenzen bei den Betreibern. Wegen der Corona-Krise rechnen chinesische Behörden jetzt damit, dass der Stromverbrauch dieses Jahr um rund fünf Prozent sinkt.
Laut Analyse chinesischer Energieexperten weisen Anzeichen darauf hin, dass Planer zögern, noch in neue Kohlekraftwerke zu investieren.
Würde China seine Kohlekraft in Zukunft stark reduzieren, so wäre dies laut einer Studie von chinesischen Wissenschaftlern auch ökonomisch sinnvoll.
Demnach könnte bei einer Absenkung von Kohlekraft im chinesischen Strommix auf 23 Prozent im Jahr 2030 der Strompreis im Vergleich zum Business-as-usual-Szenario um sechs Prozent sinken. Chinas Stromsektor könnte so zugleich seinen CO2 Ausstoß im Vergleich zu heute halbieren.
Kohlestrom könnte laut der Studie vor allem durch Solarstrom ersetzt werden. Dieser könnte laut Szenario von heute drei Prozent auf 39 Prozent steigen und die Windkraft von heute sechs Prozent auf 15 Prozent im Strommix. Zusätzlich würden dabei moderne Stromspeicher gebraucht.
Auch ein Szenario für ambitionierten Klimaschutz rechneten die Wissenschaftler durch. Demnach könnten Chinas CO2-Emissionen im Stromsektor bis 2030 sogar um 80 Prozent gesenkt werden. Der Preis für Strom wäre dann im Vergleich zum Business-as-usual-Szenario allerdings um 20 Prozent höher.
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Kohleausstieg braucht Politik fürs Klima
Um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, ist ein rasches Handeln nötig. Der weltweite Kohleausstieg sollte mindestens zehn Jahre früher erfolgen als bisher angedacht, zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Wissenschaftsorganisation Climate Analytics.
Die Studie empfiehlt bereits bis 2030 eine Senkung der Kohleverstromung um 80 Prozent, verglichen mit 2010. Ab 2031 sollten dann Europa, Nordamerika, Japan und Australien (OECD-Länder), sowie Osteuropa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion ohne Kohle auskommen. Bis 2032 Lateinamerika, bis 2034 der Nahe Osten und Afrika, und bis 2037 alle asiatischen Länder inklusive China.
Auch wenn inzwischen deutlich weniger neue Kohlekraftwerke geplant werden, reiche der Baustopp neuer Kraftwerke allein nicht aus. Die Forscher mahnen, dass die Energiepolitik der Regierungen für einen Kohleausstieg bisher weit hinter den nötigen Schritten zurückbleibe.
Matthew Grey empfiehlt, die aktuellen Konjunkturprogramme für den Klimaschutz zu nutzen. Finanzielle Unterstützung sollten Anreize für ein vorzeitiges Ende der Kohleverstromung setzen und den "größeren Ausbau kostengünstiger und sauberer erneuerbarer Energien fördern".