Klimagipfel: Deutschland muss noch viel tun
10. Dezember 2019Eigentlich fängt dieser Dienstag auf der UN-Klimakonferenz in Madrid ganz gut an aus deutscher Sicht. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verkündet, dass die Regierung 30 Millionen Euro zusätzlich bereitstellt für den Fonds zur Anpassung an den Klimawandel. Davon profitieren vor allem ärmere Länder aus dem Süden. Schulze sagt: "Wir sind solidarisch mit den ärmsten, den am meisten verwundbaren Staaten. Damit bleibt Deutschland auch größter bilateraler Geber des Anpassungsfonds. Mit der neuen Zusage helfen wir auch, dass der Anpassungsfond seine wertvolle Arbeit auch im kommenden Jahr fortsetzen kann." Und Schulze hofft, dass die deutsche Zusage Schwung in die Verhandlungen in Madrid bringen kann.
Das internationale Engagement Deutschland ist es dann auch, das mit dazu geführt hat, dass das Land im globalen Klimaschutz-Index der Organisation Germanwatch und des NewClimate Institute ein paar Plätze gut gemacht hat im Vergleich zum Ranking im vergangenen Jahr . Platz 27 statt zuvor Platz 33 steht zu Buche, wie die Umweltgruppen am Dienstag mitteilten. Aber richtig gut ist dieser Platz bei 57 bewerteten Ländern auch nicht. Und es ist kein Trost, dass am Ende der Tabelle Staaten wie Australien, Saudi-Arabien und die USA stehen. Deutschland schwächelt schon seit Langem, weil die nationale Klimaschutzpolitik nicht vorankommt.
"Abgedrosselt, torpediert"
Viele Jahre rühmte sich Deutschland selbst für seine "Energiewende", also den Umstieg auf Erneuerbare Energien, und für den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch Germanwatch-Klimaexperte Christoph Bals meint, zuletzt habe das Land den Ausbau von Wind-und Sonnenkraft vernachlässigt. Er sagt der DW auf der Klimakonferenz in Madrid: "Im Moment erleben wir, dass in den vergangenen zwei Jahren die Windenergie auf dem Land abgedrosselt worden ist. Da wird so gut wie nichts mehr zugebaut in diesem Bereich. Das ist neben der Photovoltaik das Rückgrat der Energiewende. Hier wird durch politische Weichenstellung die Energiewende im Moment torpediert." Die Politik reagiert damit auch auf massiven Protest von Bürgern gegen weitere Windräder in ihrer Nähe.
Knapp die Hälfte des deutschen Stroms kommt mittlerweile aus erneuerbaren Quellen, zweifellos ein Erfolg der jahrelangen gesetzlichen Förderung. Aber die Klimagase wurden zuletzt kaum abgebaut, nach wie vor verfeuert Deutschland zu viel Kohle. Das Klimaziel, bis 2020 40 Prozent an Treibhausgasen gegenüber 1990 abzubauen, wird deshalb verfehlt. Der beschlossene Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bis spätestens 2038 kommt vielen Experten zu spät. Auch wenn Christoph Bals glaubt, dass das Land am Ende doch früher auf die Kohle verzichtet: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir etwa 2030 ganz aus der Kohle ausgestiegen sein werden. Die Steinkohle rechnet sich schon jetzt nicht mehr. Und bei den absehbaren Preisen im Emissionshandel wird sich auch in den nächsten Jahren die Braunkohle in Deutschland nicht mehr rechnen. Und damit werden wir eine sehr viel schnelleren Ausstieg erleben, als manche jetzt noch denken."
Tesla statt VW
Ganz besonders klimaschädlich ist der Verkehr in Deutschland. Dessen Emissionen sind seit 1990 gar nicht verringert worden. "Wir sind ein Auto-Hersteller-Land", sagt Bals. "Die Lobby-Kräfte in diesem Bereich waren extrem hoch. Die Autoindustrie hat sich total verzockt. Sie hat auf Diesel-Motoren gesetzt, hat dabei die Verbraucher und die Politik getäuscht. Zum Teil auch mit Hilfestellung der Politik. Und sie hat es versäumt, rechtzeitig auf den Weg der Elektro-Mobilität umzusteigen." Das sieht auch Jennifer Morgan so, die Chefin von Greenpeace International. Sie sagte der DW am Dienstag im Madrid: "Die deutsche Industrie, vor allem die Autoindustrie, hat viele Entwicklungen verschlafen. Wir sehen: Wer kommt nach Deutschland und baut was Neues? Tesla! Firmen wie BMW und Volkswagen haben gedacht, sie können alles blockieren. Aber man kann nicht mit der Wissenschaft verhandeln, man muss vorangehen." Der amerikanische Elektroauto-Hersteller Tesla hat vor einigen Wochen angekündigt, eine große Fabrik in Brandenburg zu bauen.
Gerne verweist die Regierung darauf, dass Deutschland jetzt nicht nur den festen Plan verfolge, aus der Kohle auszusteigen, sondern auch den Rückzug aus der Kernenergie nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima 2011 vollzogen habe. Christoph Bals meint dazu: "Solange wir die Kernenergie und die Kohle hatten, waren im Prinzip alle Energiekonzerne dafür, aus beiden nicht auszusteigen. Die Dynamik für die Erneuerbaren Energien war deutlich geringer. Auf der anderen Seite ist es richtig, dass wir einen noch viel schnelleren Rückgang der Emissionen hätten haben können, wenn wir zuerst ganz schnell aus der Kohle ausgestiegen wären und dann aus der Kernenergie. Aber aus beiden Risiko-Technologien müssen wir zügig aussteigen." 2022 soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden.
Klima-neutral bis 2050?
Generell hat der Klimaschutz in allen Umfragen in Deutschland einen hohen Stellenwert. Jennifer Morgan von Greenpeace sagt: "Ich glaube, dass die Gesellschaft versteht, dass wir einen Klima-Notfall haben. Aber von der Regierung bekommt sie keine gute Antwort darauf. Eigentlich sollten die Bürger gar nichts mehr zahlen, die Unternehmen müssten zahlen, aber dafür müsste die Politik die richtigen Maßnahmen treffen." Auf der Klimakonferenz wiederholte Ministerin Schulze derweil das deutsche Ziel, bis 2050 Klima-neutral zu wirtschaften. Bis dahin gibt es aber noch Einiges zu tun.