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"Die Krim ist nicht Südossetien"

Martin Koch11. März 2014

Das Krim-Parlament hat die Unabhängigkeit der Halbinsel beschlossen. Außerdem sollen ukrainische Kriegsschiffe beschlagnahmt werden. Wie das möglich sein soll, sei unklar, sagt Margarete Klein im DW-Interview.

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Die Politikwissenschaftlerin Margarete Klein
Bild: Stiftung Wissenschaft und Politik/picture-alliance/dpa

DW: Am Dienstag (11.03.2014) hat das Parlament der Krim die Halbinsel für unabhängig erklärt. Die ukrainische Flotte im Schwarzen Meer soll nun auch beschlagnahmt werden. Wieso erklärt das Regionalparlament die Krim für unabhängig, bevor das Referendum darüber abgehalten worden ist, Frau Klein?

Margarete Klein: Letztendlich versucht die neue Krim-Regierung, das für Sonntag (16.03.2014) vorgesehene Referendum zusätzlich abzusichern. Sowohl die Krim-Regierung als auch die russische Seite nutzen den Schritt des dortigen Parlaments, um die Legitimität ihres Vorgehens zu unterstützen.

Kann da auch eine Rolle spielen, dass die Krim sich jetzt zunächst erst mal selbst als rechtlich eigenständig erklären will, damit sie sich dann anschließend überhaupt an die Russische Föderation anschließen könnte?

Nach momentan geltender russischer Gesetzgebung kann nur ein souveräner Staat den Beitritt an Russland beantragen, der dann in einem internationalen Vertrag abgeschlossen wird. Daher sind die Unabhängigkeitserklärung des Krim-Parlaments und das anstehende Krim-Referendum ein Schritt, um einen solchen Beitritt nach russischem Recht möglich zu machen. Das Referendum ist aber rechtlich mehr als fragwürdig. Erstens ist die Zeitfrist für die Volksabstimmung sehr kurz, wodurch andere Gruppierungen eigentlich überhaupt nicht für ihre Interessen eintreten können und zweitens findet es unter einer Situation militärischer Besatzung statt. Und dazu kommt, dass es nach der ukrainischen Verfassung gar nicht möglich ist, dass es eine Volksabstimmung in nur einem Landesteil geben kann.

Welche faktischen Folgen hat denn diese Unabhängigkeitserklärung?

Die faktischen Folgen werden wahrscheinlich sein, dass die Krim-Regierung versucht, Vermögen des ukrainischen Staates sich selbst zu unterstellen: Staatliche Wirtschaftsunternehmen und Vermögen. Und vor allem könnte die Regierung versuchen, auch die Schwarzmeerflotte und die dort stationierten Einheiten unter ihre Kontrolle zu stellen. Das wird natürlich etwas sein, das die Situation auch eskalieren lassen kann.

Welchen Sinn hat das Referendum jetzt noch?

Das soll die Legitimität dieses ganzen Vorgehens absichern, durch die Zustimmung, nicht nur des Parlamentes, sondern auch der Bevölkerung. Sicherlich wird es Boykotte von Teilen der Bevölkerung geben, die sich gar nicht daran beteiligen. Das hat dann zur Folge, dass die Zustimmungsrate derjenigen, die überhaupt zur Urne gehen, natürlich höher sein wird. Von russischer Seite und der Seite der Krim-Regierung wird das dann genutzt werden, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.

Im Hafen von Sewastopol liegt die Kriegsmarine der Ukraine. Die soll jetzt beschlagnahmt werden. Warum?

Aus der eigenen Logik heraus. Wenn die Krim ein eigener unabhängiger Staat ist, dann müssten sich die dort stationierten Militäreinrichtungen auch diesem Staat unterstellen. Die Frage ist aber, kann man diese ganzen Beschlüsse überhaupt so durchsetzen? Es hat ja ein riesiges Eskalationspotenzial. Die Krim ist nicht Südossetien oder Abchasien, wo es de facto keine ethnischen Georgier und keine georgischen Soldaten mehr gab, wo man dieses Gebiet viel stärker und viel einfacher unabhängig machen konnte. Auf der Krim sind sowohl ethnische Ukrainer als auch Krim-Tataren und es sind ukrainische Militärangehörige vor Ort. Wie man die zur Aufgabe bringen soll, das ist noch eine offene Frage und das kann wirklich zu einer militärischen Eskalation führen.

Können Sie uns erklären, warum es eine ukrainische und eine russische Schwarzmeerflotte gibt?

Es war ja früher die sowjetische Schwarzmeerflotte, die auf der Krim stationiert war. Als die Ukraine unabhängig wurde, ist die Frage gewesen, wo die russische Flotte, die seit dem 18. Jahrhundert dort stationiert ist, hinkommt. Man hat es dann per internationalem Abkommen geregelt, dass es rechtlich abgesichert eine getrennte Flotte beider Seiten gibt.

Jahrzehntelang lagen die Schiffe der russischen und der ukrainischen Marine Seite an Seite in Sewastopol. Jetzt eskaliert die Situation. Welche Rolle spielt die Schwarzmeerflotte in dieser Krise?

Ich denke, die Schwarzmeerflotte ist für Russland schon militärstrategisch von Bedeutung. Das kann aber nicht das Verhalten der russischen Seite in der Krim-Krise erklären, denn es gab ja keine irgendwie geartete Bedrohung von Seiten der ukrainischen Regierung, dass man dieses Abkommen aufkündigen möchte. Die russische Schwarzmeerflotte hätte dort weiterhin bleiben können. Bei der russischen Krim-Politik geht es viel mehr um politische Ziele: Einfluss auf die neue ukrainische Regierung und die künftige Politik der Ukrainer zu sichern und gegenüber anderen ehemals sowjetischen Staaten das Signal abzusetzen, dass eine Abwendung von Russland mit hohen Kosten verbunden ist.

Margarete Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.