Klaus Töpfer war Umweltschützer von Weltrang
11. Juni 2024Das Bild sorgte international für Aufmerksamkeit. Mit einem Kopfsprung hechtete ein Mann in einem Neoprenanzug im September 1988 bei Mainz von einem Polizeiboot in den Rhein und kraulte einige Minuten zum Ufer.
Es war ein prominenter Politiker. Klaus Töpfer, damals 50 Jahre alt und seit eineinhalb Jahren Bundesumweltminister. Er wollte nach eigenem Bekunden zeigen, dass der wichtigste deutsche Fluss nach Chemieunfällen und massivem Fischsterben wieder sauber genug zum Schwimmen sei.
Jahrzehnte später berichtete er selbst, dass es längst nicht nur um einen Beleg für wiedergewonnene Wasserqualität gegangen sei. Es war eine Wette. Im Landtagswahlkampf 1987 hatte der sozialdemokratische Wahlkreis-Gegenkandidat prophezeit, dass Töpfer, damals Umweltminister in Rheinland-Pfalz, in Bälde in die Bundesregierung wechseln werde und man ihn nicht mehr wählen solle. Töpfer hielt dagegen - mit der Wette. 1987 war die Aktion spektakulär und kam seriös in die Fernsehnachrichten. Heute, in Zeiten von Social Media, wäre sie ein schrilles Ding unter vielen. Aber nach diesen Bildern kannte jeder Klaus Töpfer und dessen Kampf um Wasserqualität und Umweltschutz.
Politik nach Tschernobyl
Wie sein Büro am Dienstagmorgen (11.06.) mehreren lokalen Medien bestätigte, starb Töpfer bereits am 8. Juni nach einem Sturz auf einer Veranstaltung in München. Er wurde 85 Jahre alt. Eigentlich war Töpfer nicht der erste Bundesumweltminister in Deutschland. Aber er war, wie man später sagte, der erste wirkliche Umweltminister der Bundesregierung.
Dieses Ministeramt war überhaupt erst 1986 im Nachgang der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl etabliert worden. Nach elf Monaten mit Walter Wallmann, der dann hessischer Ministerpräsident wurde, machte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1987 Töpfer zum, wie es offiziell hieß, "Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit". Tschernobyl hatte die Welt entsetzt und verunsichert. Aus dem explodierten Reaktor im Norden der Ukraine hatten sich radioaktive Stoffe über weite Teile Europas verteilt. Die Grünen, 1980 erst in der Bundesrepublik gegründet und bereits in mehreren Landesparlamenten und seit 1983 im Bundestag vertreten, waren im Aufwind. Und bei der konservativen CDU war Umweltpolitik eigentlich kein großes Thema.
So holte der Kanzler aus seiner Heimat Rheinland-Pfalz den Fachminister. Klaus Töpfer, am 29.7.1938 im niederschlesischen Waldenburg südwestlich von Breslau, im heutigen Polen, geboren, war in Mainz politisch aktiv und wurde geschätzt. Und er war umweltpolitisch stets weiter als seine Partei. Bald nach Amtsantritt forderte er "eine Zukunft ohne Kernenergie, aber auch mit immer weniger fossilen Brennstoffen". Für solche Worte bekäme man in der CDU, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011 den Atomausstieg durchsetzte, 2024 wieder Gegenrede.
Der Meilenstein von Rio
Töpfer gilt als einer der Väter der 1992 bei einem "Umweltgipfel" in Rio de Janeiro beschlossenen Klimakonvention, die zu einem Meilenstein des weltweiten Engagements zum Klimawandel und -schutz wurde. Sieben Jahre stand Töpfer an der Spitze des Umweltministeriums in Bonn. Dann folgte ihm die Ostdeutsche Angela Merkel.
Töpfer wechselte an die Spitze des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Für ihn war das kein Abstieg. Der studierte Volkswirt hatte sich seit Ende der 1960er Jahre viel mit Standortfragen und Raumplanung befasst und wurde 1978 Professor und Direktor des Instituts für Raumforschung und Landesplanung an der Universität Hannover. Gerade angesichts der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland waren solche Themen wichtig. Töpfer war offiziell auch Beauftragter für den Umzug großer Teile der Regierung von Bonn nach Berlin.
Noch mal eine ganz eigene Bedeutung erreichte Töpfer mit seiner zweiten Karriere, für die er Anfang 1998 sein Amt als Bundesminister aufgab. Der damals 59-Jährige wurde, von der UN-Generalversammlung einstimmig in dieses Amt gewählt, Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi, einem der offiziellen UN-Standorte. Als oberster Umweltschützer der Welt war Töpfer der ranghöchste Deutsche bei der Weltorganisation und hatte diesen Posten zwei Amtsperioden bis 2006 inne. Wer ihn damals dort besuchte, in einem eleganten Baukomplex in einer grünen Zone der Stadt, traf einen engagierten Akteur mit Weltsicht.
"Ich war acht Jahre lang Leiter des UN-Umweltprogramms in Nairobi und habe mit eigenen Augen gesehen, dass wir Armut überwinden müssen, wenn wir Stabilität in dieser Welt haben wollen", sagte er 2017 in einem DW-Interview. "Und das ist ein ureigenes Anliegen von uns, denn die Menschen, die sich nicht aus der Armutsfalle befreien können, werden sich aufmachen in Gegenden, wo ihrer Ansicht nach Milch und Honig fließen, und das ist Europa."
Klimaschutz als "globale Herausforderung"
Töpfer bilanzierte, in den Jahren, die er habe mitgestalten können, sei es möglich gewesen, Klimaschutz zu einer "globalen Herausforderung" zu machen. "Als ich 1987 als Umweltminister anfing, gab es den Begriff Umweltpolitik noch gar nicht. Klimapolitik war gänzlich unbekannt. Erneuerbare Energien wurden, wenn überhaupt, belächelt. Aber das als meine persönliche Bilanz anzusehen, das wäre etwas vermessen."
In Deutschland genoss er unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit hohes Ansehen. Stets ansprechbar, ohne Dünkel, in vielem kompetent. So wurde er nach seiner Zeit in Nairobi auch mal als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt. Stattdessen wirkte er in Fachgremien mit und blieb Mahner mit Expertenwissen – für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Abkehr von Atomkraft. Das war seine Botschaft schon 1988. Sie blieb stets aktuell.