Kirchen setzen auf ein "Sterben in Würde"
13. November 2014Kaum gewählt, musste der neue EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm Anfang dieser Woche das heiße Eisen anfassen: "Ich möchte, dass die Menschen am Lebensende in Würde sterben dürfen. Dass sie liebevoll begleitet werden und keine Schmerzen haben müssen", sagte der bayerische Landesbischof in die wartenden Mikrofone. Was durch Palliativmedizin möglich werde, müsse jedem zugänglich sein. Klipp und klar formulierte der evangelische Theologe: "Organisierte oder kommerzielle Sterbehilfe lehne ich ab. Hier brauchen wir eine klare gesetzliche Regelung!" Ärzte, die verantwortungsvoll mit ihren Patienten umgingen, wolle er aber nicht unter Strafe stellen.
Im Nein zur kommerziellen Sterbehilfe weiß Bedford-Strohm sich auf Linie mit der offiziellen Position seiner Kirche. Sie findet sich, in Form einer im Jahr 1996 gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Sekretariat der katholischen Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen "Argumentationshilfe" auf der EKD-Website. Der Titel: „Leben bis zuletzt – Sterben als Teil des Lebens“. Zur Selbstbestimmung über den eigenen Todeszeitpunkt heißt es da: "Wer das Leben nur dann als wertvoll erlebt, solange er unabhängig und frei entscheiden kann, steht in der Gefahr, jedes durch Behinderung, Krankheit und Siechtum begrenzte Leben abzulehnen." Nicht Stärke, Gesundheit und Aktivität machten den Wert des Menschen aus. "Als Christen glauben wir daran, dass jeder Mensch bedingungslos von Gott gewollt, bejaht und angenommen ist. In der Selbsttötung verneint ein Mensch sich selbst."
Katholiken gegen organisierte Sterbehilfe
Wenig Neues zur Sterbehilfe ist von katholischer Seite zu hören. Erst im September hat die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda ihre Haltung zur Tötung auf Verlangen bekräftigt. Der Vorsitzende der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, plädierte erneut für ein "gesetzliches Verbot jeglicher Formen der organisierten Beihilfe zu Selbsttötung". Stattdessen sollten Hospizangebote mitsamt der Palliativmedizin ausgebaut werden. Lehmann räumte ein: "Die Diskussion ist schwieriger geworden." Laut Bischofskonferenz kann sich "das auch im Christentum dem Menschen zukommende Recht auf Selbstbestimmung nicht auf das eigene Leben beziehen".
Nach Auffassung der Deutschen Bischofskonferenz bedürfen Sterbende der besonderen Fürsorge und Zuwendung ihrer Mitmenschen. "Wer alt, krank oder hilflos ist, möchte nicht alleingelassen werden. Vielerorts werden Sterbende umsichtig und mitfühlend betreut, etwa in Familien und Hospizen", so Kardinal Lehmann. "Aus Sorge um den Menschen setzen sich Christen dafür ein, dass das Leben eines jeden Menschen – gerade auch in der Nähe des Todes – bis zuletzt geschützt wird." Gott habe den Menschen als sein Abbild geschaffen und ihm eine unantastbare Würde verliehen. Diese Würde beruhe nicht auf seiner Leistung oder in dem Nutzen, den er für andere habe. Aus dem Wissen um Gottes Zuwendung und Liebe heraus könne der Mensch auch im Leiden und im Sterben sein Leben bejahen und seinen Tod aus Gottes Hand annehmen.
Wie mit Alter und Sterben umgehen?
Noch kurz vor der Bundestagsdebatte über Sterbehilfe hatte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, diese Erwartung an die Parlamentarier gerichtet: "Ich wünsche mir, dass sich das Parlament hier nicht als Gesetzesmaschine, sondern als Marktplatz der öffentlichen Debatte versteht". Es sei eine Kernfrage, wie die Gesellschaft mit Alter und Sterben umgeht und ob "unsere Gesellschaft menschlich bleibt oder nicht".
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, bewertete die Bundestagesdebatte als einen "Höhepunkt parlamentarischer Debattenkultur und Vorbild für den gesellschaftlichen Diskurs". Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er, wer gegen Suizidbeihilfe und aktive Sterbehilfe sei, müsse das Leid am Lebensende lindern und die Palliativmedizin ausbauen: "Sterbende Menschen haben ein Recht auf eine bestmögliche Lebensqualität."
Auch Kardinal Marx warnte vor einer Aufweichung des Lebensrechts. "Es geht nicht darum, menschenwürdiges Töten zu ermöglichen, sondern menschenwürdiges Sterben zu organisieren", so Marx. Auch er forderte die Stärkung von Palliativversorgung und Hospizarbeit. Diese massiv auszubauen, verlangen übereinstimmend Malteser-Geschäftsführer Geschäftsführer Franz Graf von Harnoncourt und Caritas-Präsident Peter Neher. Dabei gibt es nach Einschätzung des Vorsitzenden der Caritas-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, des Kölner Kardinals Woelki, selbst in kirchlichen Einrichtungen "noch einiges zu tun." Caritas-Chef Neher betonte, beim Thema Sterbehilfe lasse sich nicht alles gesetzlich regeln: "Wir werden mit Grauzonen leben müssen."