Kinshasas Straßenkinder auf der Berlinale
20. Februar 2018"Ich habe immer das Kino geliebt, vor allem Titanic war ein ganz wichtiger Film für mich", erzählt Machérie Ekwa Bahango und blickt scheu unter ihrem Afro hervor. Dass sie eines Tages mit einem eigenen Film auf der Berlinale vertreten sein würde, hätte sich die 24-Jährige nicht träumen lassen. Doch am 17. Februar 2018 war es so weit: Vor ausverkauftem Haus feierte "Maki'La" in der Akademie der Künste Weltpremiere. In Bahangos Film geht es um die 19-jährige Maki (Amour Lombi), ein Straßenkind, das sich gleichermaßen mit Herz und Härte in der Megacity Kinshasa zu beweisen weiß.
Maki ist mit dem Kleinkriminellen Mbingazor (Serge Kanyinde) verheiratet, einem Albino mit verhunzten, hässlichen Tattoos, der lieber in die Flasche schaut, als sich um seine junge Frau zu kümmern. Sie hat die Streitereien und die Gewalt satt und setzt sich von ihm ab. Doch die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo scheint zu klein für die beiden. Ständig kreuzen sich ihre Wege, ständig haben sie mit denselben Menschen zu tun. Als Maki die viel jüngere Acha (Fidéline Mafimbu) aufliest und eine tiefe Zuneigung zwischen den beiden Frauen entsteht, weckt das Mbingazors Eifersucht. Er verfolgt die beiden...
Rund 200.000 Kinder leben in Kinshasa auf der Straße
"Mir war es wichtig, dass mein erster Film ein Thema behandelt, das die Gesellschaft berührt", so Bahango im DW-Interview. "Ich hatte eine Gruppe von Straßenkindern kennengelernt, mit denen mich eine ganz besondere Freundschaft verband." Bahango erzählt, wie viele Vorurteile den Kindern entgegen gebracht werden, wie sie stigmatisiert und ausgegrenzt werden. "Dabei teilen wir die gleichen Träume", sagt sie. "Ich habe diesen Film ihnen zu Ehren gemacht."
Und so geht es in ihrem Film auch nicht nur um die dunklen, rauen Seiten des Lebens auf der Straße, sondern auch um Freundschaft und Liebe. Eine der schönsten Filmszenen ist wohl die, in der Maki und Mbingazor heiraten und im Anschluss miteinander schlafen. Im krassen Kontrast dazu stehen Aufnahmen, in denen junge Menschen geschlagen, vergewaltigt, ausgeraubt werden oder mit leerem Blick bekifft in der Ecke liegen.
Für ihre Besetzung wählte Bahango, die aus dem Osten von Kongo stammt, fast ausschließlich unbekannte Schauspieler aus, die ihre Rollen mit einer teils verstörenden Intensität spielen: Mbingazor lässt keine Zweifel an seiner Ruchlosigkeit, und auch Maki ist mit allen Wassern gewaschen. "Maki'La" ist ein schonungsloser Film.
Eine autodidaktische Regisseurin
Drei Jahre lang hat die Regisseurin an ihrem Film gearbeitet. "Anfangs war ich ganz auf mich allein gestellt", erinnert sich. Ihre Stimme ist leise, ihre Art unaufdringlich, und dennoch erfüllt ihre Präsenz den ganzen Raum. Bahango ist Autodidaktin. Über das Internet hat sie sich beigebracht, wie man Filme macht, und sich dort gleichzeitig mit Gleichgesinnten vernetzt. Ein erster Erfolg war die Mitarbeit am Film "Félicité", der auf der Berlinale 2017 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Bahango hatte das Drehbuch in ihre Muttersprache Lingala übersetzt.
Seitdem wusste sie, wie hart es sein würde, eigene Filme zu machen - und dass sie auf Unterstützung angewiesen sein würde: "Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich Filme machen und mich in der Branche behaupten möchte", so Bahango. Er leiht ihr das Startkapital, und sie beginnt Ende 2014 mit den Dreharbeiten. Sie beweist großes Durchhaltevermögen, überzeugt immer mehr Menschen von ihrem Projekt und sichert sich schließlich die Unterstützung von Produzent Emmanuel Lupia und seiner Firma. Weitere Co-Produzenten steigen mit ein, und Anfang 2017 sind die Dreharbeiten schließlich abgeschlossen.
Die kongolesische Filmwelt im Aufbruch?
Bahangos Geschichte klingt eher nach Hollywood als nach der Demokratischen Republik Kongo, die nicht gerade für eine große Filmindustrie bekannt ist. Doch Bahango glaubt an ihr Land und die jungen Filmschaffenden wie sie selbst, die das kongolesische Kino vor allem für ein heimisches Publikum wiederbeleben wollen. Gemeinsam können sie es schaffen, ist Bahango überzeugt.
"Ich kann mich nicht genug bei meinem Team bedanken", sagt die junge Regisseurin zum Ende des Interviews und senkt dabei den Blick auf ihre langen, gepflegten Fingernägel. Sie ringt sichtlich nach Worten. "Die Techniker und die Schauspieler haben sich mit sehr viel Liebe für mich eingesetzt. Drei Jahre lang waren diese Menschen wirklich immer für mich da, und ich würde alles für sie tun." Ihre Stimme bricht. All die Aufregung und Anspannung der Weltpremiere fallen von ihr ab. Was bleibt, ist eine junge Frau, die bewiesen hat, dass es sich lohnt, für die eigenen Träume zu kämpfen.