Kim zeigt guten Willen
24. Juli 2018Lange hat die internationale Gemeinschaft auf diesen Schritt warten müssen. In einem ersten erkennbaren Schritt zur Denuklearisierung seit Wochen hat das nordkoreanische Regime nun begonnen, seine Raketenstartanlage in Sohae an der Westküste abzubauen. Dies legen Satellitenbilder nahe, die von Experten des von der John Hopkins Universität betriebenen Fachmediums "38 North" ausgewertet wurden.
Dort heißt es, dass die abgerüsteten Einrichtungen vermutlich "eine wichtige Rolle bei der technologischen Entwicklung für Nordkoreas Interkontinental-Raketenprogramm gespielt haben". Insofern würden die jetzigen Bemühungen eine "signifikante vertrauensbildende Maßnahme von Seiten Nordkoreas" darstellen. Im südkoreanischen Präsidialamt gab man sich zurückhaltender und sprach von einem "möglichen positiven Effekt".
"Gut, dass sich endlich was tut"
Es scheint, als ginge die nun begonnene Abrüstung der Anlage in Sohae auf ein Versprechen von Kim Jong Un während des US-Nordkorea Gipfeltreffens am 12. Juni in Singapur zurück. Damals habe der nordkoreanische Machthaber nach Angaben von US-Präsident Donald Trump versprochen, eine Raketentestanlage abzubauen. Wieso Nordkorea den Abrüstungsprozess nicht von sich aus öffentlich gemacht hat, ist bislang unklar.
Der Abbau der Anlage in Sohae ist im doppelten Sinne bedeutsam. Im Februar 2012 hatte der damals frisch den Diktatorensessel erklommene Kim Jong Un eine weitreichende Einigung mit der US-Regierung unter Barack Obama erzielt, die unter anderem ein Moratorium für Raketen- und Nukleartests vorsah. Wenige Wochen später jedoch schoss Nordkorea einen Satelliten von der Anlage Sohae ins All.
Pjöngjang bestand damals darauf, dass es sich um eine rein friedliche Mission handelte. Washington jedoch wertete den Satellitenstart als Vertragsbruch, was zu einem jahrelangen Stillstand in Bezug auf die nukleare Abrüstung Nordkoreas führte.
Experten sehen den jetzigen Abbau einen positiven Schritt. "Das ist erstmal positiv zu werten, dass sich etwas tut - ein Zeichen des guten Willens", sagt Lars-André Richter, Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Dennoch dürfe man die Komplexität des Denuklearisierungsprozesses nicht unterschätzen. "100 Tage nach dem ersten innerkoreanischen Gipfel ist es noch zu früh, eine erste Bilanz zu ziehen. US-Präsident Trump hat in den letzten Wochen durchaus viel Optimismus verbreitet, aber letztlich sind beide Seiten bislang einem konkreten Fahrplan zur Denuklearisierung schuldig geblieben", sagt Richter. Es bleibe abzuwarten, wie die Detailgespräche zwischen Nordkorea und den USA in den kommenden Wochen weitergehen.
Fehlende Definition von Denuklearisierung
Zumindest symbolisch hat das Regime in Pjöngjang während der letzten Wochen einige vertrauensbildende Maßnahmen durchgeführt. Im Staatsfernsehen war die Berichterstattung über Trump ungewohnt positiv, zudem wurden die alljährlichen Anti-Amerika-Aufmärsche in Gedenken an den Ausbruch des Koreakriegs dieses Jahr ausgesetzt. Nicht zuletzt hat das Kim-Regime seine omnipräsenten, anti-amerikanischen Propaganda-Plakate in der Hauptstadt Pjöngjang vollständig abgehangen - laut den anekdotischen Beobachtungen von Langzeitbewohnern zum ersten Mal überhaupt.
Dennoch hat das Ausbleiben von wirklich substanziellen Resultaten in den letzten Wochen viele internationale Experten an Nordkoreas Aufrichtigkeit zweifeln lassen. Tatsächlich hat Kim Jong Un sowohl bei seinem Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in als auch mit Donald Trump nur sehr vage Erklärungen unterschrieben. Ob er beispielsweise internationale Inspektoren ins Land lassen wird, ist bislang völlig offen.
Zumindest nach außen hin gibt sich US-Präsident Trump optimistisch angesichts der bisherigen Annäherung mit Nordkorea, wie er auf Twitter zuletzt verlauten ließ. Dabei herrscht unter Experten weitgehend Konsens, dass Trump zwar die Erwartungen hochgeschraubt hat, bislang aber nur wenig handfeste Ergebnisse vorzuweisen hat.
Abrüstung entlang der Grenze
"Dass Nordkorea vollständig und unumkehrbar abrüstet, war von Anfang an schwer vorstellbar", sagt der britische Buchautor und Nordkorea-Experte Andray Abrahamian, "dafür hat das Regime zu viel in das Atomprogramm investiert, dass es dies nun aufgibt - zumindest in einem Zeitrahmen, der für Washington tolerierbar ist." Abrahamian hält vielmehr eine Kompromisslösung für möglich, die während den Verhandlungen zwischen beiden Seiten austariert werden müsse.
Wie dieses sukzessive Entgegenkommen aussehen kann, deutet sich nun südlich der Demarkationslinie an. Seoul erwägt derzeit den Abzug einiger Soldaten von der innerkoreanischen Grenze. Dies sei eine vertrauensbildende Maßnahme, teilte das Verteidigungsministerium in Seoul mit. Geplant sei zunächst in der Testphase der Abzug von einigen Soldaten und Ausrüstung von Wachposten innerhalb der demilitarisierten Zone. Eine Ausweitung werde zu einem späteren Zeitpunkt erwogen.