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Killerwale in Gefahr: Vergiften wir die Orcas?

27. September 2018

Wir jagen sie, wir sperren sie ein - und wir vergiften sie. Forscher haben herausgefunden, dass das Umweltgift PCB ganze Orca-Populationen auslöschen könnte. Weil wir unseren Industriemüll nicht richtig entsorgen.

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Schwertwale vor Norwegen (Foto: picture alliance/eurekalert/dpa/A. Rikardsen)
Bild: picture alliance/eurekalert/dpa/A. Rikardsen

Wale sind faszinierende Tiere. Gigantisch, schlau und wahnsinnig sozial. Vermutlich sozialer als wir Menschen. Denn einerseits bewundern wir die Riesen, andererseits machen wir es ihnen ganz schön schwer. Als hätten die Säuger nicht schon genug mit der kommerziellen Jagd auf sie zu tun, sperren wir sie ein und vergiften sie. 

Eine Studie wirft nun ein Schlaglicht auf die letztere Bedrohung. Demnach seien ganze Orca-Populationen in Gefahr, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Science". Schuld ist das Umweltgift PCB (Polychlorierte Biphenyle). Besonders betroffen sind die Schwertwale in den Gewässern bei Brasilien, Gibraltar und den Kanarischen Inseln sowie in Regionen vor Großbritannien, Japan und im Nordostpazifik, so die Forscher.

Das Dreckige Dutzend

PCB gehört zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen. Es ist die wohl bekannteste Stoffgruppe der Industriechemikalien unter dem "Dreckigen Dutzend". So werden zwölf bekannte und gefährliche Giftstoffe - unter anderem Pflanzenschutzmittel, Industriechemikalien und Nebenprodukte von Verbrennungsprozessen - bezeichnet. Sie wurden allesamt durch die POP-Konvention bzw. das Stockholmer Übereinkommen vom 22. Mai 2001 weltweit verboten.

PCB ist sogar schon seit den 1970er-Jahren verboten, aber in vielen anderen Ländern ging die Produktion und die Nutzung in elektronischen Bauteilen bis zum Inkrafttreten der Konvention weiter.

Haufen Elektroschrott in Lünen (Foto: picture alliance/D. Naupold)
Elektroschrott enthält oft noch PCB-haltige Kondensatoren oder MotorenBild: picture alliance/D. Naupold

PCB waren beliebt, weil sie schwer entzündlich und chemisch stabil sind, einen hohen Siedepunkt haben und Strom nicht leiten, also ideal als Isolatoren wirken. Ein beliebter Einsatzbereich waren daher Kondensatoren, die in einer Vielzahl von Elektrogeräten verbaut wurden, aber auch Motoren oder hydraulische Geräte. Darüber hinaus fanden sich PCB auch in Kunststoff- und Gummiprodukten, Farbpigmenten und sogar im Kopierpapier wieder.

Gefährliche Nebenwirkungen für Mensch und Tier

PCB lösen ganz verschiedene direkte Vergiftungserscheinungen aus, etwa Haarausfall und Hautreaktionen - vorausgesetzt Menschen sind der Substanz über einen längeren Zeitraum ausgesetzt. Vor allem sind PCB aber auch krebserregend, schädigen das Nervensystem und die Fortpflanzung - und genau Letzteres haben die Forscher nun auch bei den Walen festgestellt.

Genau genommen bei den Orcas - die eigentlich an der Spitze der Nahrungskette stehen, gegen Umweltgifte dennoch nicht immun sind. Die Forscher haben dies durch eine Untersuchung des Fettgewebes herausgefunden. Bei den Schwertwalen wurden demnach Konzentrationen bis 1300 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht gefunden. Es heißt, dass bereits Werte von 50 Milligramm pro Kilogramm die Fruchtbarkeit und das Immunsystem der Tiere schädigen könnten.

Die Wissenschaftler um Jean-Pierre Desforges von der dänischen Universität Aarhus werteten die PCB-Werte von 351 Orcas aus. Besonders belastet sind demnach Populationen, die in der Nähe von Industrieregionen leben. Anhand der Belastung verschiedener Bestände simulierte das Team in einem Modell deren Entwicklung für die kommenden 100 Jahre. Resultat: In zehn der insgesamt 19 untersuchten Populationen bedroht das Umweltgift das dauerhafte Überleben.

Schwertwale vor Norwegen (Foto: picture alliance/eurekalert/dpa/A. Rikardsen)
Orcas sind Delfine. Insgesamt gibt es 40 Delfin-Arten in den unterschiedlichsten Größe und Farben – der Orca mit einer Länge von bis zu zehn Metern der größte und schwerste unter ihnenBild: picture alliance/eurekalert/dpa/A. Rikardsen

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Der Mensch macht das Gift

Ein Effekt erhöhter PCB-Konzentrationen sei Nachwuchsmangel, betonen sie. "In den belasteten Gebieten können wir nur noch selten neugeborene Orcas beobachten", wird Co-Autorin Alisa Hall von der schottischen Universität St. Andrews in einer Mitteilung zitiert.

In den am stärksten belasteten Gebieten drohe innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre ein Zusammenbruch vieler Populationen. In anderen, weniger kontaminierten Regionen in der Arktis und Antarktis sei dagegen mit einem Wachstum der Populationen zu rechnen.

Allerdings betonen die Forscher, dass auch viele andere Umweltgifte den Tieren zusetzen könnten, darunter Organophosphat-Flammschutzmittel, Perfluor-Alkylsäuren (PFAAs) oder polychlorierte Naphthaline (PCN). "Alles, was wir an Schadstoffen produzieren, findet seinen Weg ins Meer", sagt Joseph Schnitzler von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der nicht an der Studie beteiligt war.

Die PCB-Produktion sei zwar eingestellt worden, doch in alten Maschinen könne das Umweltgift noch vorkommen. "Wenn diese nicht fachgerecht entsorgt werden, können PCB weiterhin ins Meer gelangen", betont Schnitzler. Mehr könne nicht unternommen werden, um die Meeressäuger vor PCB zu schützen.

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.