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Politik

Wahlbeeinflussung durch Fake-News

Nikita Batalov mo
23. März 2019

Am 31. März wird in der Ukraine ein neuer Präsident gewählt. Überschattet wird der Wahlkampf von zahlreichen, vor allem russischsprachigen Fake-News. Welchen Einfluss haben diese Falschmeldungen auf die Wahlen?

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Symbolbild Fake News im Netz
Bild: picture alliance/dpa/F. Gabbert

In der Ukraine herrscht Wahlkampf - und er wird mit teils schmutzigen Bandagen geführt. Rund um die am 31. März bevorstehende Präsidentschaftswahl kursieren in den sozialen Netzwerken und Medien zahlreiche erfundene Meldungen und Berichte - meist mit dem Ziel, einen der Präsidentschaftskandidaten zu diskreditieren. 

Mittels CrowdTangle, einem Tool, das anzeigt, wie sich Content im Internet verbreitet, nahm die DW seit Anfang des Jahres Fake-News in sozialen Netzwerken unter die Lupe. Insbesondere wurde nachgeschaut, welche russischsprachigen Fake-News im Zusammenhang mit den Wahlen die meisten Reaktionen wie Likes, Reposts und Kommentare erzielten. Die populärsten Fakes mit frei erfundenen Aussagen oder Begebenheiten tauchten bei Facebook auf. Die entsprechenden Accounts haben bis zu zwei Millionen Abonnenten.

Die populärsten Fake-Meldungen

Am 5. Januar, kurz nachdem der Komiker Wolodymyr Selenskyj seine Kandidatur angekündigt hatte, erschien auf der Facebook-Seite von "bbccn.co" eine Meldung, der zufolge der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko ein Strafverfahren gegen Selenskyj eingeleitet habe - wegen angeblicher "Pläne zum Sturz der Verfassungsordnung". Auf den Post gab es rund 20.000 Reaktionen - Likes, Reposts und Kommentare. Die Seite "bbccn.co", deren Bezeichnung eine Mischung aus "BBC" und "CNN" ist, beruft sich dabei auf Luzenkos Facebook-Seite. Fakt ist aber, dass es dieses Strafverfahren nie gegeben hat.

Ebenfalls auf etwa 20.000 Reaktionen kam ein Facebook-Post vom 2. Januar. Darin behauptet die Webseite "from-ua.com", alle Ukrainer seien wütend darüber, dass am Silvesterabend der ukrainische TV-Sender "1plus1" anstatt der traditionellen Neujahrsansprache des Staatspräsidenten Petro Poroschenko eine Ansprache von Wolodymyr Selenskyj ausstrahlte. Die Seite "from-ua.com" beruft sich dabei auf "politeka.net" als Quelle, und diese wiederum auf ausschließlich negative Kommentare auf der Webseite von "1plus1".

Auf ihr ist die Nachricht über Selenskyjs Neujahrsansprache nicht mehr abrufbar. Auf YouTube stehen unter dem entsprechenden Video viele negative, aber auch positive User-Kommentare. Die auf Facebook verbreitete Falschmeldung ist daher eine äußerst tendenziöse Interpretation von Fakten.

In einem weiteren Facebook-Post von "from-ua.com" heißt es, der "EU-Präsident" habe dazu aufgerufen, nicht für Selenskyj zu stimmen, den er einen Narren genannt habe. Diese am 21. Februar veröffentlichte Fake-Meldung erzielte mehr als 4000 Reaktionen wie Likes, Reposts und Kommentare. Fakt ist aber, dass es gar keinen "EU-Präsidenten" gibt. Das Zitat über Selenskyj wurde dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, in den Mund gelegt. Tusk hatte in einer Rede, die er anlässlich einer ihm verliehenen Ehrendoktorwürde an der Universität von Lwiw hielt, beiläufig bemerkt, es sei "schwierig geworden, einen Künstler oder gar einen Komödianten von einem Politiker zu unterscheiden". Die Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Ukraine erwähnte er dabei aber nicht.

Screenshot  Facebook: Falschmeldungen - UAnews
In dieser Falschmeldung steht: "Der EU-Präsident hat dazu aufgerufen, nicht für Selenskyj zu stimmen: ein Narr in der Politik."Bild: Facebook/UAnews

Auf Facebook gibt es viele weitere Fake-Meldungen über Selenskyj, die aber nicht ganz so populär geworden sind. Es gibt auch eine gefälschte Selenskyj-Webseite, auf der er angeblich ankündigt, "nach einem Wahlsieg sofort zu Verhandlungen mit Putin zu fliegen", dem Russischen den Status einer Amtssprache in der Ukraine zu verleihen und die Hauptstadt von Kiew nach Odessa zu verlegen. 4600 User haben diese Seite schon abonniert.

Fake-Berichte über andere Kandidaten

Die DW hat Facebook auf die drei meistverbreiteten Falschmeldungen über Selenskyj hingewiesen. Einer Sprecherin des Unternehmens zufolge seien sie überprüft worden. Das Unternehmen betonte in seiner Antwort auf die DW-Anfrage, dass Facebook in den vergangenen zwei Jahren massiv darin investiert habe, zu helfen, die Integrität von Wahlen zu schützen. "Unsere Taktik beinhaltet die Blockade und Entfernung von Fake-Accounts, die Begrenzung der Verbreitung von Falschmeldungen und Desinformation, sowie die Sicherung einer beispiellosen Transparenz von politischer Werbung", so die Facebook-Sprecherin. Im Falle der von der DW gemeldeten Falschmeldungen sei jedoch festgestellt worden, dass sie die Communitystandards von Facebook nicht verletzten.

Erfundene Meldungen gibt es auf Facebook auch über andere Spitzenkandidaten. Doch auf sie gibt es weit weniger Reaktionen als auf die Meldungen über Selenskyj. So wurde in einem Post berichtet, Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko habe Rentner für die Teilnahme an einer Wahlkampfkundgebung angeworben, im Nachhinein aber nicht bezahlt. Auf den Post gab es über 5400 Reaktionen. Belege für die entsprechenden Informationen gibt es nicht. Der amtierende Präsident Petro Poroschenko, behauptet eine weitere Falschmeldung, soll der "jüdischen Elite vier Regionen im Falle eines Wahlsiegs versprochen" haben. Auch hiefür gibt es keinerlei Belege, dennoch erzielte der Post über 4500 Reaktionen. Und eine Meldung, wonach US-Präsident Donald Trump Poroschenko angeblich befohlen habe, "freiwillig zurückzutreten", kam auf rund 4000 Reaktionen.

Einfluss auf das Wahlergebnis?

Jelena Tschuranowa, Expertin des Kiewer "Instituts für Massenmedien" und Koordinatorin des Projekts "StopFake", weist darauf hin, dass die genannten Webseiten, die derartige frei erfundene Nachrichten verbreiten, keinen journalistischen Standards entsprechen. Doch das würden nicht alle User verstehen. Daher könnten solche Posts durchaus Einfluss auf die Wähler ausüben. Laut der Expertin könne man aber nicht von einer gezielten Kampagne gegen Selenskyj sprechen. "Gegen jeden Kandidaten gibt es negative Nachrichtenströme. Es gibt viele davon in verschiedenen Gruppen und Kanälen, da sind viele Menschen, und man kann nicht immer nachvollziehen, ob sie alle real sind", so Tschuranowa.

Ihr stimmt ihre Kollegin Jelena Golub zu. "Ich denke, dass all dies Einfluss ausüben kann. Viele Ukrainer sind in den sozialen Netzwerken aktiv. Unklar ist, wie viele von ihnen Fake-Nachrichten auch wirklich als solche identifizieren können", so die Expertin des "Instituts für Massenmedien". Ihrer Meinung nach ist es aber schwer zu sagen, wie groß der Einfluss von Fake-News tatsächlich ist. Ob und von wem die Kampagnen gesteuert werden, lässt sich durch die von der DW gesammelten Daten nicht herausfinden. Es sei aber klar, dass "die Stäbe der Kandidaten bei Wahlen nicht gerade untereinander befreundet" sind, so Jelena Golub.

Ben Nimmo, Experte für Informationssicherheit der US-Denkfabrik Atlantic Council betonte, dass die Webseiten, die Fälschungen über Selenskyj veröffentlicht haben, zwar eine beeindruckende Anzahl von Abonnenten hätten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Seiten wie diese einen spürbaren Einfluss auf den Wahlprozess haben, ist jedoch gering, wenn sie nicht von einer viel größeren Infrastruktur unterstützt werden", fügte Nimmo hinzu.

Insgesamt leben in der Ukraine etwa 42 Millionen Menschen, von denen über 35 Millionen bei den Präsidentschaftswahlen stimmberechtigt sind. Laut einer Studie der ukrainischen Kommunikationsagentur "PlusOne" nutzen heute etwa 13 Millionen Ukrainer Facebook. Russische Netzwerke wie "Vkontakte" und "Odnoklassniki" sind in der Ukraine seit Anfang 2017 verboten. Seitdem ist die Anzahl der ukrainischen Facebook-Nutzer stark angestiegen, so dass es heute das beliebteste soziale Netzwerk des Landes ist.