Kiesewetter: "Dieses Prism ist ein völlig anderes"
20. Juli 2013DW: Herr Kiesewetter, die Enthüllungen um das Spionageprojekt Prism sorgen seit Wochen für Schlagzeilen. Mitte der Woche schlugen die Wellen noch einmal höher, als die "Bild"-Zeitung berichtete, die Bundeswehr wisse seit 2011 von Prism. Als Beleg dafür zitierte sie eine Order des Nato-Kommandos in Afghanistan, die auch an das Kommando der Bundeswehr in Nordafghanistan verschickt wurde. Gibt es nach Ihrer Kenntnis ein Programm oder zwei unterschiedliche Programme, die den Namen Prism tragen?
Es gibt ein System Prism, das in Afghanistan genutzt wird im Rahmen der sogenannten NATO-Intel-Toolbox, also einer NATO-Intelligence-Werkzeugkiste. Dieses Programm ist ein Planungsinstrument für die Integration, aber auch die zeitliche Koordinierung von Aufklärungsmaßnahmen. Prism steht hier für "Planning for Resources Integration, Synchronization and Management". Die Bundeswehr ist seit gut zehn Jahren im Afghanistaneinsatz, und damit dort die deutschen Informationen gut eingepflegt werden können und umgekehrt Deutschland auch Informationen erhält, gibt es im Aufklärungswesen ein Informationssystem, in das die ISAF-Nationen ihre Informationen einspeisen. Die Amerikaner nutzen dort auch Informationen aus ihrem Prism-System. Das Prism, das diese weltweite Aufmerksamkeit bekommen hat, ist ein System, das sich uns insgesamt nicht erschließt. Das, was in Afghanistan verwendet wird, ist nicht das, was in der weltweiten Kritik steht.
Um es noch mal ganz klar und deutlich zu machen: Das System Prism, das von den Amerikanern in Afghanistan genutzt wird, ist eine Computer-Software?
Da muss man sehr vorsichtig sein. Was die Amerikaner in Afghanistan nutzen, wissen wir nicht, weil es ein nationales System ist. Es ist durchaus vorstellbar, dass die dort Zugriff auf das weltweit in der Kritik stehende System erhalten. Die Bundesrepublik Deutschland hat Zugang zu der NATO-Intel-Toolbox. Dort hat die Bundesrepublik Deutschland mit ihren Aufklärungssystemen Zugriff, speist es auch und erhält dort auch Informationen. Im militärischen ISAF-Verständnis ist Prism ein computergestütztes US-Planungs- und Informationsaustausch-Werkzeug für den Einsatz von Aufklärungssystemen, um Lageinformationen zu erhalten. Deswegen bedeutet das für mich, dass dieses Prism ein völlig anderes ist als das weltumfassende Abhörsystem.
Das heißt, das ist nach Ihren Kenntnissen ein Tool, das sich ausschließlich auf Afghanistan bezieht. Sie können aber auch nicht ausschließen, dass es eine Verknüpfung zu den Informationen gibt, die aus dem weltumspannenden Abhörsystem Prism der NSA gewonnen wurden?
Dieses "Einsatz-Prism" wird in Afghanistan genutzt, aber ich kann nicht sagen, ob es ausschließlich in Afghanistan genutzt wird. Da liegen uns keine Erkenntnisse vor. Aber das, was die Amerikaner dort einspeisen, ist ein anderes System als das, was weltweit in Kritik geraten ist.
Die "Süddeutsche Zeitung" spekuliert am Samstag (20.07.2013), dass offenbar nicht zwei unterschiedliche Programme mit dem Namen Prism existieren, sondern nur ein Programm, das für mehrere Aufgaben gemacht sei. Dieser Vermutung würden Sie widersprechen?
Nein, dazu haben wir zu wenig Kenntnisse. Prism ist uns nur als ein für den Dienstgebrauch eingesetztes Informationssystem bekannt. Was ich persönlich nicht ausschließe, ist, dass dies in das Gesamtsystem eingespeist wird. Aber das ist geheim und das können wir uns nicht erschließen. Das ist sicherlich Bestandteil der Gespräche in den USA gewesen.
Und der Name Prism ist eine zufällige Dopplung, weil es von den Abkürzungen und der Symbolik passt?
Das sollten wir als Arbeitshypothese gelten lassen, bis es widerlegt ist.
Gibt es beim Prism, was in Afghanistan genutzt wird, eine Schnittstelle zur NSA?
In Kenntnis der Dinge würde ich es nicht ausschließen, aber wir haben da keine Belege.
Hatten Sie in Afghanistan oder bei der Bundeswehr Zugang zu Computersystemen, die mit Informationen von Geheimdiensten gespeist wurden?
Ich hatte keinen Zugang zu US-Computersystemen, ich hatte Zugang zu NATO-Systemen. Das hat aber nichts mit Geheimdienstarbeit zu tun.
Als Mitte der Woche bekannt wurde, dass es in Afghanistan auch ein Programm mit dem Namen Prism gibt, hat sich die Bundesregierung sehr schwer getan, für Aufklärung zu sorgen. Die Informationen aus dem Bundesverteidigungsministerium und vom Bundesnachrichtendienst (BND) haben sich teilweise widersprochen. Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, die Stellungnahmen vom Bundesverteidigungsministerium waren eindeutig. Bei aller Fairness, die es zwischen den Ressorts geben muss, ist die Aussage des Bundesverteidigungsministeriums die richtige und belastbare gewesen.
Wie kommt dann die anderslautende Erklärung des BND zustande?
Da müssen Sie die Betroffenen fragen. Ich kann mir das nicht erklären.
Fühlen Sie sich als Parlamentarier inzwischen ausreichend über Prism informiert?
Bisher noch nicht, wobei wir unserer Regierung hier auch Zeit geben müssen. Das ist ja eine Sache, die sehr auf Vertrauen beruht, und die Bundesregierung kann nicht einfach ihre Erkenntnisse, die ja zum Teil auch [als geheim] eingestuft sind, in die Öffentlichkeit geben. Es gilt jetzt, nicht vorschnell Porzellan zu zerschlagen, sondern in aller Ruhe und Vernunft die Dinge aufzuklären. Wir Parlamentarier sind ja auch im Fokus solcher Dinge. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, als ich eine große westliche Botschaft in Berlin besucht habe. [Beim Betreten müssen Besucher aus Sicherheitsgründen ihre Mobiltelefone abgeben, Anm. d. Red.] Einmal waren, als wir wieder herausgehen wollten, die Handys nicht verfügbar, weil unser Termin früher als erwartet beendet war. Ein anderes Mal waren Zugriffe auf Daten am Handy-Display ersichtlich. Es gibt schon Erlebnisse, die dafür sprechen, dass auch wir Abgeordnete unter einem bestimmten Interesse standen.
Um als Abgeordneter Ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, müssen Sie doch sicher sein, dass ihr Informationsaustausch geschützt ist.
Davon können wir auch ausgehen. Wir haben das thematisiert seinerzeit, der Auswärtige Ausschuss hat eine geheime Unterrichtung durch den BND erhalten, nachdem wir diese Vorgänge, die unter anderem auch ich erlebt hatte, thematisiert hatten. Für mich ist das seit dem Jahr 2011 vom Tisch.
Betreten Sie die US-Botschaft jetzt nur noch völlig ohne Handy?
Ich gehe gerne in die US-Botschaft, weil da viele unserer Freunde sitzen, weil man da sehr gut diskutieren und Anregungen anbringen kann, aber ich trage den Akku vom Handy dann immer getrennt bei mir.
Roderich Kiesewetter (CDU) ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Präsident des Reservistenverbandes der Deutschen Bundeswehr. Er war als Offizier in Afghanistan und Büroleiter im NATO-Hauptquartier.
Das Gespräch führte Marcus Lütticke.