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Wenn Dein Smartphone Corona erkennt

4. November 2020

Forschende am MIT haben künstlicher Intelligenz beigebracht eine Coronavirus-Infektion am Husten zu erkennen. Diagnostizieren wir uns in Zukunft jeden Morgen selbst - durch ein kurzes Husten ins Smartphone?

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Frau mit Smartphone vor dem Sozialpallast in der Pallasstrasse in Berlin Schöneberg.
Big Brother weiß, wie Du hustest und was für Viren Du in Dir trägst.Bild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

Dass Smartphones unheimlich viel über uns und andere wissen ist ja eigentlich nichts Neues. Und viele Menschen haben auch längst akzeptiert, dass ihre Endgeräte bzw. die App-Anbieter, die sich dahinter verbergen, längst mehr über sie wissen als sie selbst. Dass mein Smartphone nun aber auch noch erkennen soll, dass ich an COVID-19 erkrankt bin - obwohl ich es selbst noch gar nicht gemerkt habe - klingt doch wohl nach Science-Fiction.

Irrtum: Science ist es, aber keine Fiction. Schon bald könnte vielleicht eine neuartige App auf den Markt kommen, mit der sich eine asymptomatische Coronavirus-Infektion an den Tönen, die wir beim Husten oder Sprechen erzeugen, diagnostizieren lässt.

Während die Trefferquote der Technik bei Infizierten schon sehr gut ist, muss die KI nun noch lernen, Fehldiagnosen bei Nicht-Infizierten zu vermeiden. Falls das auch noch gelingt, könnte die App vielleicht irgendwann die bestehende Corona-Warn-App ergänzen, die tatsächliche Kontakte zu Infizierten erkennt.

Kann eine App wirklich helfen, die Pandemie einzudämmen?

Husten-Töne enthalten Biomarker

Auf die Idee mit der Tonanalyse waren drei Informatiker vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) gekommen. Jordi Lugarta, Ferran Hueto und Brian Subriana haben zwischen April und Mai 2020 Tonaufnahmen von 5320 Probandinnen und Probanden genommen. Neben Hustengeräuschen war auch Sprache dabei. Die Töne von 4256 Probanden fütterten die Forscher in den Computer ein, der sie mithilfe eines künstlichen neuronalen Netzes (CNN) auswertete.

Dabei setzten die Forscher auf akustische Biomarker, also bestimmte charakteristische Merkmale in den Tönen, die sie bereits in früheren Studien bei Alzheimer-Patienten gefunden hatten. Dann testeten sie das, was die Maschinen gelernt hatten, an den übrigen 1064 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie.

Viele Treffer - aber bitte keine Panik bei falsch-positiven Ergebnissen!

Die Ergebnisse waren durchaus vielversprechend. "Das Modell erreicht bei Probanden, bei denen in einem offiziellen Test eine COVID-19 Infektion diagnostiziert wurde, eine Sensitivität von 98,5 Prozent" schreiben die Forscher in ihrer Studie, die dem IEEE Open Journal of Engineering in Medicine and Biology zur Veröffentlichung vorgelegt wurde. 

Die Spezifizität betrug demnach in der Gruppe 94,2 Prozent. Das würde bedeuten, dass etwa jeder Zwanzigste ein falsch-positives Ergebnis bekommen hätte. 

"Unter asymptomatischen Probanden, erzielte es eine Sensitivität von 100 Prozent bei einer Spezifizität von 83,2 Prozent." Das würde bedeuten, dass jeder sonst unerkannt gebliebene COVID-19 Fall richtig diagnostiziert wurde. Dafür hat aber fast jeder fünfte Teilnehmer eine falsch-positive Warnung erhalten.

Das heißt, die Spezifizität müsste wohl noch verbessert werden, damit eine solche App wirklich praxistauglich wird. Denn sollte sie von sehr vielen Menschen täglich genutzt werden, könnten die falsch positiven Ergebnisse schnell dazu führen, dass Labortestkapazitäten erschöpft werden.

Möglicherweise könnten diese Werte auch noch verbessert werden, wenn die Computer mit weiterem Datenmaterial gefüttert werden und daraus maschinell noch mehr über unsere Hustengeräusche lernen. 

Kein Ersatz aber Ergänzung zu Labortests

Auf jeden Fall ziehen die Forscher das Fazit, dass "KI-Technologien ein kostenfreies, nicht-invasives, sofort wirksames, jederzeit verfügbares und in großen Maßstab verteilbares Werkzeug bieten, um asymptomatische COVID-19-Fälle zu screenen und bestehende Ansätze zur Eindämmung von COVID-19 zu ergänzen."

Die MIT-Wissenschaftler schlagen vor, dass die Methode etwa angewandt werden könnte um Studenten und Schüler, Arbeiter und Angestellte täglich auf verdächtige Husten-Geräusche hin zu testen. Sollte dann eine Warnung kommen, könnten die Betroffenen ja immer noch einen Labortest machen, um herauszufinden, ob die App Recht hatte. 

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen