Kennzeichen Gen
4. November 2003Spurensuche nach genetisch veränderten Organismen im Essen, kurz GVO, in einem deutschen Supermarkt. Der Kunde wird nichts finden. Denn: Solche Tomaten, Mais und Sojasprossen, also Lebensmittel, in denen Spuren von GVO nachgewiesen werden und gekennzeichnet werden müssen, verkaufen sich in Deutschland schlecht. Die Supermärkte stellen sich darauf ein. Schließlich lehnt die Mehrheit der Verbraucher Gen-Food ab.
Das musste der Konzern Nestlé 1998 bei der Markteinführung seines Gen-Schokoriegels feststellen: Nur wenig Kunden knabberten am so genannten "Butterfinger", dafür nagte der Gen-Riegel ganz schön am Ruf des Konzerns.
Das Nachweisprinzip
Aber ist das, was nicht drauf steht, auch wirklich nicht drin? Bisher müssen nämlich nur solche Lebensmittel gekennzeichnet sein, bei denen im Endprodukt GVOs nachgewiesen werden können. Der gesamte Herstellungsprozess bleibt dabei außer Acht. Zum Beispiel kann ein Sojaöl zu 100 Prozent aus Gen-Soja hergestellt worden sein - ohne dass davon ein Wort auf der Flasche stehen muss. Denn im Endprodukt finden sich keine GVO-Spuren mehr. Das soll sich ändern.
Spurensuche nach GVO
Ein Blick in die Zukunft: ein Supermarkt im Mai 2004. Auf allen Produkten, in denen genetisch veränderte Zutaten drin sind, muss der Vermerk stehen: "Hergestellt aus genetisch veränderten Organismen". Das Europa-Parlament hat am 3. Juli 2003 neue Richtlinien für Kennzeichnung und Rückverfolgung von GVO beschlossen, ab Mai 2004 sind diese Pflicht für jeden Hersteller.
Für Corinna Hölzel, vom Greenpeace Verbraucher-Netzwerk EinkaufsNetz ein wichtiger Schritt zu mehr Wahlfreiheit der Kunden: "Jeder Produzent muss nachweisen, wo er die Ware her hat, beim Schokoriegel geht der Nachweis zurück bis zum Acker".
Wenn mehr als ein Grenzwert von 0,9 Prozent an GVO enthalten ist – was anhand von Lieferlisten einfach zurückverfolgen ist - muss das auch auf der Packung stehen. Auf Druck von Greenpeace sicherten 170 deutsche Lebensmittelhersteller außerdem zu, auch in Zukunft keine Produkte anzubieten, bei denen genetisch veränderte Lebensmittel nachgewiesen wurden.
Kein Gen-Food in deutschen Supermärkten?
Ganz frei von GVO-Produkten bleibt der Lebensmittelmarkt in Deutschland jedoch nicht. 18 Unternehmen wollen Gentechnik nicht ausschließen. Darunter große Konzerne wie Aldi, Tengelmann oder die Metro-Gruppe. "Weil wir nicht bereit sind, den Verbraucher zu blenden und mit falschen Tatsachen zu konfrontieren", erklärt Albrecht von Truchseß von der Metro-Gruppe, "man kann das gar nicht ausschließen." Allein 60 bis 70 Prozent aller Lebensmittel sollen in irgendeiner Weise mit Gentechnik in Verbindung gekommen sein.
Heftiger Widerspruch von Henning Strodthoff, Gentechnik-Experte von Greenpeace. Die 170 Firmen hätten schriftlich zugesichert, schon jetzt ihre Zuliefererwege komplett überprüft zu haben. Damit wollen sie sicherstellen, dass bei ihnen auch 2004 Gentechnik nicht in die Tüte kommt.
Gentechnik durch die Hintertür
Trotzdem: Es gibt Lücken in der Kennzeichnungspflicht. Zwar muss auch Tierfutter auf GVO überprüft und der Zusatz gekennzeichnet sein, bei der Zweitverwertung verläuft die Spur jedoch im Sand. Denn: Bei Fleisch, Milch und Eiern der Tiere, die mit Gen-Mais und -Soja gefüttert wurden besteht keine Kennzeichnungspflicht.