Kenianer hoffen auf internationale Gerechtigkeit
16. Dezember 2010Er konzentriere sich auf die "Hauptverantwortlichen" für die gewalttätigen Ausschreitungen, sagte IStGH-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo am Mittwoch (15.12.2010). Es gebe "natürlich viel mehr", und Kenia stehe es frei, sie strafrechtlich zu verfolgen. Mit der Veröffentlichung der Namen der mutmaßlichen Hintermänner vollzog der Chefankläger einen ersten Schritt hin zu einem Prozess vor dem IStGH. Zu den Verdächtigen gehören jeweils drei Mitglieder der beiden Lager um Präsident Mwai Kibaki und um den damaligen Oppositionsführer und derzeitigen Regierungschef Raila Odinga.
Über tausend Tote bei Unruhen
Bei den schweren Unruhen zum Jahreswechsel 2007/2008 waren laut IStGH etwa 1100 Menschen getötet, 3500 Menschen verletzt und bis zu 600.000 Menschen in die Flucht getrieben worden. Sowohl Odinga vom Orange Democratic Movement (ODM) als auch Kibaki von der Partei der Nationalen Einheit (PNU) hatten nach der Präsidentenwahl den Sieg für sich beansprucht.
Unter den Verdächtigen ist mit Finanzminister Uhuru Kenyatta, der auch Vize-Ministerpräsident ist, ein bekannter Name. Kenyatta ist der Sohn von Kenias erstem Präsidenten Jomo Kenyatta. Er will sich 2012 selbst um das oberste Staatsamt bewerben. Moreno-Ocampo wirft Kenyatta vor, er habe die mafiaähnlichen Mungiki organisiert, um nach der Wahl Anhänger der Oppositionspartei ODM des heutigen Premierministers Raila Odinga anzugreifen.
Politiker heizten Gewalt noch an
"Die Zeit nach den Wahlen war eine der gewalttätigsten in der Geschichte des Landes", sagte Moreno-Ocampo. Als Organisatoren der Gewalt gegen ODM-Anhänger will er außerdem den einstigen Personalchef Mohammed Hussein Ali und den Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsausschusses, Francis Mutaura, vor Gericht bringen. Sie sollen die Polizei zu exzessiver Gewalt gegen ODM-Sympatisanten ermuntert haben.
Die Unruhen waren nach Vorwürfen des Wahlbetrugs ausgebrochen. Erst nach wochenlangen Verhandlungen des ehemaligen UN-Generalsekrtärs Kofi Annan einigten sich Kibaki und Rivale schließlich auf eine Teilung der Macht.
Gespannte Stimmung in Nairobi
In Kenia war die Bekanntgabe der Namen der mutmaßlichen Strippenzieher der politischen Gewalt mit Spannung erwartet worden. In einer Bar in Nairobi drängten sich am frühen Nachmittag Mitarbeiter der umliegenden Büros, um während der späten Mittagspause die live-Übertragung aus Den Haag zu verfolgen. "Es müssten mehr als sechs Namen sein, so viele haben Blut an den Händen", klagte einer der Gäste. "Aber wenigstens können in Den Haag die Richter nicht gekauft werden", wandte ein anderer Besucher ein.
Er war mit dieser Meinung nicht allein: Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage trauen 85 Prozent der Kenianer dem Haager Gericht am ehesten zu, die Verantwortlichen für die politische Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen.
Staatschef Kibaki erklärte, die Männer dürften vor einem Prozess in Den Haag nicht als schuldig angesehen werden. Er betonte zudem erneut, ein kenianisches Sondergericht einberufen zu wollen, das die Unruhen aufarbeiten solle.
Autor: Dirk Bathe (dpa/afp)
Redaktion: Michaela Paul