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Kenia zwischen Hoffen und Bangen

Maja Braun / Nairobi3. März 2013

Anlässlich der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ist die Lage in dem ostafrikanischen Land gespannt. Die Furcht vor einer Wiederholung der blutigen Ausschreitungen von vor fünf Jahren ist noch immer groß.

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Eine Frau trägt ihr Baby an einem Wahlplakat des Orange Democratic Movement (ODM) im Slum Kibera vorbei. - Foto: REUTERS/Siegfried Modola
Bild: Reuters

Musik wummert aus den Lautsprecherboxen eines Pick-Ups. Dazwischen dröhnt eine Männerstimme: "Lasst uns friedlich wählen!" Wo immer man geht und steht in Kenias Hauptstadt Nairobi, alles ruft nach Frieden: auf Plakatwänden, in den Leitartikeln der Zeitungen und bei den Abschlusskundgebungen der Kandidaten.

Auch in dem Slum Kibera, einer der Hochburgen der Gewalt nach den letzten Wahlen, flattern Flugblätter mit Friedensbotschaften über die schlammigen Wege. Edwin hat noch einen dicken Stapel in der Hand, die er jedem andreht, der ihm über den Weg läuft. "Unsere Botschaft ist: Wir wollen keine Probleme hier!", sagt der junge Mann.

Von der Ladefläche eines Pick-Ups ruft ein Mann zu friedlichen Wahlen auf - Foto: DW/M.Braun
Friedensappelle von der Ladefläche eines Pick-UpsBild: DW/M.Braun

Auch die Gemüseverkäuferinnen eine Ecke weiter geben sich zuversichtlich. "Ich weiß, dass es eine gute Wahl wird", meint eine Frau, die gerade Kartoffeln schält. "Es gibt keinen Grund für Gewalt." Und ein junger Mann, der das Wochenende mit einer Flasche Bier begießt, versichert, auch einen Sieg der Gegenseite zu akzeptieren. "Wir sind zwar als Hooligans bekannt, aber dieses Mal wollen wir der Welt zeigen, dass wir zivilisiert sein können. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt."

Furcht vor Gewalt

Doch nicht alle Menschen in Nairobi teilen diese Zuversicht. Ein Mann hat gerade so viel Hab und Gut wie möglich in ein Auto gestopft, nun steigen seine Kinder ein. Ja, er wohne hier, sagt er, aber seine Stimme wolle er lieber an seinem Geburtsort abgeben.

Edwin verteilt Flugblätter im Slum Kibera - Foto: DW/M.Braun
Edwin verteilt Flugblätter im Slum KiberaBild: DW/M.Braun

Andere bleiben, aber mit Angst. Eine Frau, die ihren Namen ebenfalls nicht nennen will, erzählt: "Neulich kam ein Jugendlicher und hat einem Mann gedroht: 'Ihr Kikuyus, was macht Ihr noch hier? Wartet ab bis Montag, und sagt nicht, wir hätten Euch nicht gewarnt!'"

Die Wähler in Kenia orientieren sich nach der ethnischen Herkunft der Präsidentschaftskandidaten. Kibera ist eine Hochburg von Premierminister Raila Odinga, einem Angehörigen der Luo, der bei der Wahl gegen Uhuru Kenyatta, einen Kikuyu, antritt. Diese beiden Kandidaten sind die aussichtsreichsten, die übrigen sechs liegen in Umfragen weit dahinter. Tausende Anhänger jubelten Raila Odinga und Uhuru Kenyatta bei ihren Schlusskundgebungen in Nairobi zu. Sowohl Kenyatta als auch Raila kündigten an, die Wahlergebnisse zu akzeptieren. Ebenso haben jedoch beide Seiten ihre Anhänger auf Sieg eingeschworen.

Neue Technik gegen Wahlmanipulation

Dass einer der beiden die erforderliche absolute Mehrheit am Montag (04.03.2013) erreichen wird, halten viele im Land jedoch für unwahrscheinlich. Trotzdem wird die Wahl wohl knapp - genau wie beim letzten Mal. Die Gefahr, dass es zu Stimmenmanipulation kommt, ist also groß.

Premierminister Raila Odinga bei einer Wahlkampfveranstaltung - Foto: AFP PHOTO/ Will BOASE (Photo credit should read Will Boase/AFP/Getty Images)
Premierminister Raila Odinga gehört zu den aussichtsreichsten KandidatenBild: Will Boase/AFP/Getty Images

Deshalb setzt die unabhängige Wahlkommission in Kenia dieses Mal auf Transparenz, zum Beispiel mit der Registrierung der Wähler per Fingerabdruck, zusätzlich zum Ausweis. Milly Lwanga von der nationalen Kohäsions- und Integrationskommission lobt diese Maßnahme. Einer der Vorwürfe bei den letzten Wahlen war, dass mit den Namen von Verstorbenen Stimmen abgegeben wurden oder dass Leute zweimal abgestimmt haben. "Jetzt haben wir einen Schritt extra eingeführt, der garantiert, dass keiner zweimal die Stimme abgibt. Aber das haben leider nicht alle Kenianer so verstanden."

Obwohl viele Kenianer die Technik im Wahlbüro nicht ganz durchblicken und auch im Ausland Kritik an der unabhängigen Wahlkommission geübt wurde, überwiegt in Umfragen großes Vertrauen in die Organisation der Wahl. Die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse will man zusätzlich bekräftigen, indem die Stimmen sehr schnell ausgezählt werden, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, es bliebe genug Zeit für Manipulation.

Jahrelange Friedensarbeit

Auch Karsten Dümmel vom kenianischen Büro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung ist optimistisch. Vieles sei anders als vor den letzten Wahlen. Allein die Fernsehdebatten zwischen allen acht Präsidentschaftskandidaten hätten ein wichtiges Zeichen für Frieden gesetzt. "Außerdem haben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen einschließlich der Konrad-Adenauer-Stiftung an sogenannten Hotspots jahrelange Arbeit geleistet", sagt Dümmel. "Da ist so viel geschehen, da sind aus verschiedenen ethnischen Organisationen ethnien-übergreifende Organisationen entstanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles umsonst gewesen sein soll." Dennoch hat Dümmel auch Zweifel, ob die Verliererseite tatsächlich am Ende ihre Gefühle im Griff haben wird.

Vize-Premier Uhuru Kenyatta (r.) bei einer Wahlkampfveranstaltung - Foto: AFP PHOTO/ SIMON MAINA (Photo credit should read SIMON MAINA/AFP/Getty Images)
Auch Vize-Premier Uhuru Kenyatta (r.) rechnet sich gute Chancen ausBild: Simon Maina/AFP/Getty Images

Die Vorbereitungen für den schlimmsten Fall laufen jedenfalls ebenfalls auf Hochtouren: Supermärkte und Büros haben Stacheldrahtzäune errichtet. Vor allem Ausländer haben sich mit Nahrungsmitteln eingedeckt. Im Slum von Kibera warten die Bewohnern ab und hoffen das Beste.