Kenia im Wahl-Chaos
11. Oktober 2017Viele Menschen in Kenia blicken mit Spannung und Sorge auf die nächsten Tage, die mehr Klarheit über die neuen Präsidentschaftswahlen bringen sollen. Geplant ist die Abstimmung für den 26. Oktober. Aber nach dem überraschenden Wahlboykott von Oppositionsführer Raila Odinga am Dienstagabend liegt die Entscheidung über das weitere Vorgehen nun bei den Gerichten. Nach dem Rückzug Odingas hatte die Opposition - das Parteienbündnis "National Super Alliance (NASA)" - erwartet, die Wahlkommission sage die anstehenden Wahlen ab und fordere die Nominierungen neuer Kandidaten. Doch noch hat sich die Wahlkommission nicht geäußert.
Neuer Kandidat zugelassen
Während die Kommission mit ihren Rechtsabteilungen über ein mögliches Vorgehen berät, ließ der Gerichtshof in Nairobi inzwischen einen neuen Kandidaten für die Wahl zu: Ekuru Aukot, Vertreter einer kleinen Oppositionspartei, darf teilnehmen - falls die Wahl überhaupt zustande kommt. Mit zwei Kandidaten wäre eine Wahl aus rechtlich gesehen möglich. Aukot hat allerdings nur 27.000 von mehr als 15 Millionen abgegebenen Stimmen in der ursprünglichen Präsidentschaftswahl im August erhalten. Damals hatte der seit 2013 amtierende Präsident Uhuru Kenyatta gewonnen. Oppositionsführer Odinga warf ihm daraufhin Wahlbetrug vor und klagte erfolgreich vor Gericht. Odinga hatte immer wieder Reformen der Wahlkommission gefordert, um mehr Transparenz bei der Arbeitsweise und Auswertung der abgegebenen Stimmen zu gewährleisten.
In einem für den afrikanischen Kontinent beispiellosen Schritt hatte der Oberste Gerichtshof des Landes den Wahlsieg Kenyattas wegen Rechtsverstößen Anfang September für ungültig erklärt und Neuwahlen für den 26. Oktober angesetzt. James Mwamu, Anwalt und ehemaliger Präsident der ostafrikanischen Gesellschaft für Recht, zweifelt angesichts Odingas Rückzug daran, dass der neue Termin gehalten werden kann. "Selbst wenn die Wahlen jetzt stattfinden würden, stellt sich erneut die Frage nach der Legitimität", so Mwamu im DW-Interview. "Sie wird dann wohl wieder annulliert werden. Es ist unmöglich, in allen 290 Wahlkreisen schnell eine Wahl abzuhalten. Die Wahlen wären unfair und wir würden wieder vor Gericht landen."
Angespannte Stimmung
Mwamu glaubt aber nicht an eine rechtliche Lösung - er plädiert für eine politische Einigung. "Wir brauchen jetzt etwas mehr Nüchternheit und eine Schlichtung in parteipolitischen Gesprächen", fügt er hinzu. Sonst drohe sich die politische Krise zu vertiefen. Noch befürchtet er keine Gewalt auf den Straßen von Nairobi. Die Lage könne sich allerdings schnell ändern. Am Mittwoch hatte die Polizei in einigen Stadtteilen Tränengas auf Demonstranten der Opposition gefeuert, die Autoreifen in Brand setzten und Steine warfen, doch insgesamt blieb es ruhig.
Der bisherige Wahlsieger Uhuru Kenyatta besteht auf die Einhaltung des Wahltermins am 26. Oktober. Seine Jubilee-Partei hatte die Parlamentsmehrheit genutzt, um eine Änderung des Wahlgesetzes zu beantragen. Inzwischen hat das kenianische Parlament dieser Änderung zugestimmt. Das bedeutet: Wenn ein Kandidat vor einer Neuwahl das Handtuch wirft, gewinnt automatisch der andere Bewerber. Diese Änderung sei jedoch nicht auf Odingas Rücktritt anzuwenden, sagt der kenianische Anwalt und Verfassungsexperte Bobby Mkangi im Gespräch mit der DW. "Der Rücktritt kam, als die Gesetzesänderung noch nicht beschlossen war vom Parlament, daher hat das keine Konsequenzen in dieser Situation. Da gilt das bestehende Gesetz". Der Präsident müsse die Änderung zudem noch unterzeichnen.
Übergangspräsident?
Kenyattas Mandat hängt augenblicklich in der Luft. Was passiert, wenn die geplante Wahl verschoben wird? Laut Mkangi sieht die Verfassung einen Übergangspräsidenten vor, damit bliebe Kenyatta zunächst im Amt, vom Zeitpunkt der eigentlichen Wahl am 8. August bis zum Zeitpunkt einer Amtseinführung des neuen Präsidenten. Eine Alternative laut Mkangi: "Wenn die Neuwahlen nicht in den vorgesehenen 60 Tagen abgehalten werden, wird sich insbesondere die Opposition um eine glaubwürdige Wahl betrogen fühlen und der Übergangspräsident muss sein Amt abgeben". In diesem Fall wird laut Verfassung der Parlamentssprecher als Präsident eingesetzt.
Sollte doch eine Wahl am 26. Oktober stattfinden, dann sieht Jan Cernicky, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nairobi, unruhige Tage auf das Land zukommen. "Das Oppositionsbündnis NASA hat ja nicht nur auf die Kandidatur verzichtet und belässt es dabei. Dahinter steckt ja eine Strategie. Sie versuchen dann möglicherweise die Wahlen wenigstens in ihren Hochburgen nicht stattfinden zu lassen, um die Legitimation der Abstimmung gering zu halten. Aber das bleibt zum jetzigen Zeitpunkt noch Spekulation". Fakt sei, dass die Kenianer keine Lust mehr auf Gewalt und politische Auseinandersetzungen hätten, fügt Cernicky im DW-Gespräch hinzu. "Aufruhr gab es ja auch bei den ersten Wahlen im August. Das wollen die Kenianer nicht mehr, da ist große Müdigkeit zu sehen".
Mitarbeit: Carolyne Tsuma