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"Kenia hat Terror-Warnungen nicht ernst genommen"

Asumpta Lattus / Madelaine Meier3. April 2015

Wieder hat die Islamistenmiliz Al-Shabaab in Kenia zugeschlagen - mit vielen Toten und Verletzten. Der Angriff war absehbar, sagt der kenianische Sicherheitsexperte Peter Aling'o im Gespräch mit der Deutschen Welle.

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Kenianische Polizisten in Garissa (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo

DW: Offenbar gab es vor einigen Wochen Warnungen, dass Al-Shabaab Angriffe auf größere Universitäten plant. Warum wurde das Sicherheitspersonal nicht verstärkt? Warum hat man den Angriff in Garissa nicht verhindert?

Peter Aling'o: Das fragen sich jetzt viele Kenianer. Im letzten Monat waren viele Informationen über mögliche Hoch-Risiko-Ziele im Umlauf. Es gab Drohungen gegen Universitäten. Aber in Kenia nimmt man solche Dinge einfach nicht ernst. Deshalb glaube ich, dass Kenia und seine Sicherheitsbehörden mal wieder sozusagen mit "heruntergelassener Hose" erwischt wurden. Es geht um Planung und effektiv eingesetzte Sicherheitskräfte. Das meine ich nicht nur zahlenmäßig. Es geht darum, verfügbare Geheimdienstinformationen effektiv zu nutzen. Und das passiert in Kenia einfach nicht, und das sind die Lücken, von denen Al-Shabaab profitiert.

Offenbar gab es ja auch nachrichtendienstliche Informationen aus dem Westen zu geplanten Anschlägen. Haben die kenianischen Sicherheitsbehörden die ignoriert? Es war ja nicht der erste Angriff der Al-Shabaab in Kenia.

Ich habe mir diese Frage schon oft gestellt - auch nach den Anschlägen auf das Einkaufszentrum Westgate in Nairobi oder den Angriffen in Mombasa und Lamu. Tatsächlich ist nachgewiesen worden, dass es auch da vorab Informationen zu den Anschlägen gab, aber es wurde nicht gehandelt. Da fragt man sich: Was läuft falsch bei der Koordinierung von Geheimdienstinformationen und Sicherheitsmaßnahmen? Da fehlt die Verbindung. Und diese Lücke macht Kenia sehr angreifbar.

Karte Kenia Anschlag Garissa Deutsch (Grafik: DW)
Garissa, wo die blutige Geiselnahme in der Universität viele Tote gefordert hat, liegt an der Grenze zu Somalia. Von dort stammt die Al-Shabaab-Miliz.

Hat Kenia aus dem Attentat auf das Einkaufszentrums Westgate im September 2013 gelernt, wie es auf derartige Terrorangriffe reagieren muss?

Ich denke, Kenia hat nicht dazugelernt. Was wir sehen ist eine Art 'Kniescheiben-Reflex-Reaktion'. Da schickt man einfach Sicherheitskräfte los - aber in einer Weise, die deutlich macht, dass man eigentlich nicht genau weiß, was man tun soll. Die Debatte darüber, welche Lektionen nach solchen Anschlägen zu lernen sind, die muss auch zu Ende geführt werden - aber das ist nicht geschehen. Eine effektive Reaktion sollte auch eine zivile Komponente beinhalten, also dass man die Bürger mit einbezieht. Aus meiner Sicht muss Kenia noch dazulernen, wie es effektiv auf einen Angriff dieser Größenordnung reagiert.

Wie viel internationale Unterstützung bekommt Kenia im Kampf gegen Al-Shabaab?

Ich denke, dass Kenia viel Unterstützung bekommt. Die Frage aber ist: Wie effektiv nutzt Kenia diese Hilfe? Zum Beispiel gibt es Kooperationen mit anderen Regierungen, etwa den USA oder Kanada, die kenianisches Sicherheitspersonal zur Terrorbekämpfung ausbildet. Wir wissen auch, dass Amerika und Großbritannien hier sogar eine Menge Geld investieren. Man muss aber auch sehen, dass Probleme wie Korruption den Erfolg dieser Projekte in Kenia erschweren.

Al-Shabaab Kämpfer in Somalia (Foto: AP)
Al-Shabaab-Kämpfer in SomaliaBild: picture alliance / AP Photo

Was wird Kenias Regierung in Zukunft anders machen?

Wir werden einige kosmetische Änderungen sehen, aber nicht, dass Kenia wirklich die strukturellen Probleme angeht, die das Land so verletzlich machen für Extremismus und Anschläge. Der Präsident hat sich an die Nation gewandt, und wir haben Beteuerungen von ihm gehört. Aber da ging es nur darum, die Zahl der Sicherheitskräfte aufzustocken. Aber wir brauchen einen politischen Dialog, der die strukturellen Schwächen des Sicherheitsapparats und die Probleme der kenianischen Gesellschaft in den Blick nimmt. Da müssen die Bürger mit einbezogen werden, so dass hier auch wirklich nachhaltige Lösungen gefunden werden können.

Peter Aling'o forscht am Institut für Sicherheitsstudien in Nairobi. Das Interview führte Assumpta Lattus.