Keine Stolpersteine für Rente mit 67
17. November 2010Das Bundeskabinett hält ungeachtet aller Kritik an der Rente mit 67 fest. Die Beschäftigungssituation der Älteren sei positiv und dieser Trend wird sich nach Auffassung der schwarz-gelben Ministerrunde fortsetzen. Deshalb sei die 2012 beginnende Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre vertretbar und notwendig.
Am Mittwoch (17.11.2010) billigte das Kabinett den Prüfbericht von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zur Rente mit 67. Große Überraschungen brachte das Papier auch nicht mehr zu Tage. Schließlich hatte die CDU-Politikerin die grundlegenden Erkenntnisse schon vorher ausgeplaudert, wonach die neuesten Statistiken zum Arbeitsmarkt für Ältere belegen, dass die Erhöhung des Rentenalters ab 2012 starten kann.
Vier von zehn Älteren arbeiten noch
Die Arbeitsministerin verwies darauf, dass sich die Beschäftigungsquote der 60- bis unter 65-Jährigen innerhalb von zehn Jahren auf zuletzt 38 Prozent verdoppelt habe. Arbeitsmarktforscher rechnen auch für die kommenden Jahre mit weiter steigenden Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer. Bei den über 60-Jährigen sei langfristig eine Beschäftigungsquote von bis zu 50 Prozent möglich, sagte Martin Dietz, Arbeitsmarktexperte des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, der "Financial Times Deutschland". Auch Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet einen "massiven Beschäftigungsaufbau". Bei den älteren Arbeitnehmern würden sich die Beschäftigungsquoten künftig dem Durchschnitt aller Altersgruppen annähern, sagte er dem Blatt.
Der – demografisch bedingte – Mangel an jungen Fachkräften zählt nach Ansicht der Arbeitsmarktforscher mit zu den Gründen dafür, dass sich Jobchancen für Ältere zunehmend verbessern. Aber auch die Politik habe mit ihrem Kurswechsel bei der Frühverrentung dazu beigetragen: "Der deutliche Anstieg der Beschäftigung seit 2005 zeigt, dass die Schwierigkeiten Älterer auf dem Arbeitsmarkt weniger biologische Ursachen als vielmehr etwas mit institutionellen Fehlanreizen zu tun haben", sagte Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit, der "FTD". Bis 2005 habe der Sozialstaat den Betrieben dabei geholfen, "älteren Arbeitnehmern den Kündigungsschutz abzukaufen".
Schrittweiser Einstieg in das höhere Rentenalter
Die große Koalition hatte 2007 die umstrittene Erhöhung des Renteneintrittsalters beschlossen, um die Rentenkassen angesichts einer ungünstigen demografischen Entwicklung vor dem Kollaps zu bewahren. Nach dem Gesetz zur Rente mit 67 muss alle vier Jahre überprüft werden, ob es die Arbeitsmarktlage für Ältere tatsächlich erlaubt, das Rentenalter wie geplant in kleinen Schritten einzuführen. Den Anfang machen dann die Arbeitnehmer des Jahrgangs 1947, die einen Monat länger arbeiten müssen, bevor sie 2012 mit dann noch 65 Jahren in Rente gehen können. Die 1967 Geborenen sind die ersten, die volle 67 Jahre bis zum Altersruhestand arbeiten müssen.
Kritiker der Rente mit 67 argumentieren, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht zu verantworten sei, solange ältere Arbeitnehmer schlecht in den Arbeitsmarkt integriert sind. Die SPD hält das erst für vertretbar, wenn die Hälfte der Arbeitnehmer zwischen 60 und 64 Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht. "Tatsache ist, dass nicht einmal ein Viertel aller 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt wird", sagte der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz der "Rheinischen Post". Die IG Metall warnt, die Lage älterer Arbeitnehmer werde eher schlechter als besser und verweist auf "beträchtlich gesunkene Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie". Und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) plädiert dafür, auf die Rente mit 67 komplett zu verzichten und stattdessen die Rentenbeiträge um 0,6 Prozentpunkte anzuheben.
Mehr zahlen oder länger arbeiten?
Arbeitsministerin von der Leyen lehnt den Gewerkschaftsvorschlag als "ungerecht" ab: Die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters sei auch eine Frage der Fairness gegenüber der jüngeren Generation, sagte von der Leyen im Zweiten Deutschen Fernsehen. Es gehe darum, die Lasten aus der steigenden Lebenserwartung gerecht zu verteilen. Auch die Wirtschaft sieht dazu keine Alternativen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann sagte der "Berliner Zeitung", die Rente mit 67 sei nötig, weil die Lebenserwartung steige. Dieser Zusammenhang dürfe nicht ausgeblendet werden, sonst würden die Lasten der demografischen Entwicklung auf die Beitragszahler und die kommende Generationen abgewälzt.
Die Linkspartei schließt sich dagegen den Argumenten der Gewerkschaften an. Eine von der Bundesregierung selbst vorgelegte Studie zeige eindeutig auf, dass der Anteil der Älteren, die noch in Arbeitsverhältnissen sind, immer weiter gesunken sei. Die Rente erst ab 67 sei deshalb "nichts anderes als eine Rentenkürzung", sagte die Chefin der Linken, Gesine Lötzsch, im Deutschlandradio Kultur.
Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Annamaria Sigrist