Anschlag in Somalia
19. Juni 2013"Die Resolution müsste der somalischen Regierung helfen, die Sicherheitslage zu verbessern", hoffte der Sicherheitsexperte Ahmed Abdi Hassan, ein ehemaliger ranghoher Mitarbeiter der nationalen Sicherheitskräfte, als die Vereinten Nationen (UN) Anfang Mai beschlossen, Somalia mit einer neuen Mission zu unterstützen: Im Rahmen der UNSOM (United Nations Assistance Mission in Somalia) entsenden sie bis zu 200 Experten, die die Regierung und örtliche Behörden beraten sollen.
Einen neuerlichen schweren Selbstmordanschlag konnten die zusätzlichen Kräfte der UN am Mittwoch (19.06.2013) nicht verhindern: Bei einem Angriff der radikal-islamischen Al-Schabaab-Miliz auf das Gebäude des UN-Entwicklungsprogramms in der somalischen Hauptstadt Mogadischu wurden mindestens 18 Menschen getötet, darunter sind nach Regierungsangaben auch vier ausländische Mitarbeiter. Der südafrikanische Waffenbauer Denel bestätigte, dass zwei seiner Mitarbeiter bei dem Angriff getötet worden seien.
Al-Schabaab bekannte sich per Twitter zu der Tat. Der UN-Sonderbeauftragte für Somalia, Nicholas Kay, verurteilte den Anschlag gegenüber der Deutschen Presseagentur als "verzweifelten Versuch, Somalia von seinem Weg in Richtung Wiederaufbau und Frieden abzubringen."
Bereits am 14. April 2013 waren bei einer Reihe von koordinierten Selbstmordattentaten 34 Menschen ums Leben gekommen. Nicholas Kays Amtsvorgänger Augustine Mahiga warnte daraufhin vor weiteren "Terrorangriffen" der Al-Schabaab. Die Sicherheitslage war auch das Top-Thema der Somalia-Konferenz in London Anfang Mai - auch sie wurde vor ihrem Beginn von einem Anschlag überschattet; er richtete sich gegen eine hochrangige Delegation aus Katar.
Prekäre Sicherheitslage dämpft die Aufbruchstimmung
Die Anschläge sind Bestandteil der asymmetrischen Kriegsführung, mit denen der somalische Al-Kaida-Ableger Al-Schabaab (arabisch für "die Jungen") die neue Regierung um Präsident Hassan Sheikh Mohamud zu diskreditieren sucht. Nach seinem Wahlsieg über den als hochkorrupt geltenden Übergangspräsidenten Sharif Sheikh Ahmed im September 2012 ist der neue Präsident viele Themen angegangen. Seine Prioritätenliste findet Zustimmung bei Somalias Partnern: Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen, eine schlagkräftige Polizei und Armee, Korruptionsbekämpfung und öffentliche Sicherheit. Dabei kommt dem Ingenieur und späterem Universitätsdekan zugute, dass er praktisch kein politisches Vorleben hat - ein klarer Sympathiebonus im Vergleich zu den sonst üblichen Vertretern der somalischen Politikerkaste. Als Mitglied der einflussreichen Volksgruppe der Hawiye weiß er dennoch wichtige Clanführer hinter sich - ein unabdingbares Machtinstrument in dem von ethnischen Loyalitäten geprägten Land am Horn von Afrika. Mohamuds neuer Premier Abdi Farah Shirdon Saaid ist zudem ein enger Verbündeter, was darauf hoffen lässt, dass ein Kompetenzgerangel zwischen Präsident und Ministerpräsident dieses Mal ausbleiben könnte.
Noch genießt die neue Regierung einen Vertrauensvorschuss bei den Somalis in der Diaspora und so kehren viele aus den USA, Großbritannien und dem benachbarten Kenia zurück. Manche haben gut bezahlte Jobs und eine sichere Existenz aufgegeben, um beim Wiederaufbau in der Heimat zu helfen oder Geschäftsbeziehungen zu knüpfen. Die wenigen Fluglinien, die Mogadischu ansteuern, sind auf Wochen im Voraus ausgebucht. An den legendären Stränden von Mogadischu, die die Italiener einst die "Perle am Indischen Ozean" tauften, ist heute wieder Badebetrieb; selbst die schrillen Klingeltöne der Mobiltelefone, die unter Al-Schabaab-Milizen strengstens verboten waren, sind zurück.
Doch Anschläge wie der auf die UN-Niederlassung dämpfen die Euphorie im Land. Dazu kommt: "Die massiven Fortschritte, die man sich wünschen würde, sind bislang ausgeblieben", sagt Somalia-Experte Markus Höhne vom Max-Planck-Institut in Halle. Dies sei angesichts der schwierigen Situation zwar nicht erstaunlich - Höhne sieht dennoch allenfalls "Babyschritte hin zu einer möglichen Stabilisierung Somalias". Ähnlich sieht es auch Annette Weber, langjährige Somalia-Beobachterin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Das Hauptdilemma der Regierung in Mogadischu ist genau dieses: Sie ist eine Regierung nur in Mogadischu und hat keine Wirkungsmacht in der Fläche." Entscheidend sei nun, so Weber weiter, dass die Zentralregierung ihre Autorität vor allem auf das südliche Kismayu, das ehemalige Rückzugsgebiet der Al-Schabaab-Extremisten, ausdehnen könne.