Keine Plauderstündchen
8. Juni 2004
Den ersten Weltwirtschaftsgipfel haben 1975 der damalige französische Präsident Giscard d´Estaing und der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt ins Leben gerufen - die sechs Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien und den USA trafen sich zu einem Kamingespräch auf Schloss Rambouillet nahe der französischen Hauptstadt Paris, um Fragen zur internationalen Wirtschaftspolitik in lockerer, intimer Atmosphäre erörtern zu können.
Von G6 zu G8
Ein Jahr später, in Puerto Rico, wurde Kanada in den erlauchten Kreis aufgenommen, der fortan G7 genannt wurde. Im folgenden Jahr in London wurde auch der Präsident der EU-Kommission hinzu gezogen, und das Themenspektrum erweiterte sich auch auf außenpolitische Fragen.
1998 wurde in Birmingham dann Russland, das schon seit 1994 inoffiziell bei den Gesprächen dabei war, als eines der politisch bedeutendsten Länder erstmals offiziell beteiligt. Der Kreis hatte sich damit auf G8 erweitert. In finanz- und währungspolitischen Fragen trafen sich jedoch weiterhin nur die G7, weil Russland bei diesen Themen noch keine mit den G7 vergleichbare Rolle in der Welt einnahm.
Riesiges Medienspektakel
Inzwischen sind die regelmäßigen Treffen der Regierungschefs zu einem riesigen Medienspektakel geworden, häufig begleitet von Protesten von Gegnern der Globalisierung und des neoliberalen Kapitalismus. Ihren Höhepunkt fanden diese Proteste im Juli 2001 in Genua, die im Tod des 23-jährigen Studenten Carlo Guiliani gipfelten.
Die politische Substanz dieser Treffen wird teilweise erheblich in Zweifel gezogen. Dagegen wehren sich die Gipfelteilnehmer vehement. So heißt es in einem Grußwort des französischen Gastgebers Jacques Chirac, der Gipfel in Evian solle auf vier Handlungsprinzipien beruhen: Solidarität, Verantwortung, Sicherheit und Demokratie. Und unter dem Stichwort "Verantwortung" schlägt er vor, "dass die G8-Staaten Prinzipien für eine verantwortungsbewusste, auf eine dauerhafte Entwicklung ausgerichtete Marktwirtschaft formulieren, die von konkreten Handlungen begleitet werden, um zum Beispiel gegen Korruption anzukämpfen oder um die Forschung und Innovation in den Dienst der Umwelt zu stellen".
"Flexibilität und Gewicht"
Auch die Bundesregierung bezeichnet die G-8-Gipfel längst nicht mehr als unverbindliche Plauderstündchen am Kamin. "Der große Vorteil der G8-Kooperation ist, dass sie einen hohen Grad an Flexibilität mit dem nötigen wirtschaftlichen und politischen Gewicht zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse verbindet. Die Beschlüsse entfalten große politische Bindungswirkung, der sich die einzelnen Staaten nicht entziehen können", heißt es in einem Papier des Berliner Bundeswirtschaftsministeriums.
Das große Gewicht der G8 drückt sich auch in Zahlen aus: Sie erwirtschaften mehr als zwei Drittel des Weltsozialprodukts, auf ihr Konto geht knapp die Hälfte des Welthandels, sie stellen über drei Viertel der weltweiten Entwicklungshilfe und sind die größten Beitragszahler in Internationalen Organisationen wie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dem Internationalen Währungsfond (IWF) und Weltbank.