Keine Geburtstagsfeier für den Südsudan
8. Juli 2016Die Lebensmittel sind knapp, die Staatskasse leer, die Wirtschaft liegt am Boden. Dazu kommen regelmäßige Gewaltausbrüche. Die Bilanz nach fünf Jahren Unabhängigkeit fällt düster aus im Südsudan. Wenige Stunden vor dem Jahrestag am 9. Juli fielen nahe des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Juba Schüsse, wie Medien und die örtliche Mission der Vereinten Nationen übereinstimmend berichteten. Es seien auch Einschläge von Granaten oder Mörsern zu hören gewesen. Informationen über mögliche Tote oder Verletzte gab es nicht. Am späten Abend kehrte wieder Ruhe ein. Am Donnerstag waren mindestens fünf Soldaten bei Zusammenstößen zwischen Rebellen und Militär getötet worden.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete die Kämpfe als alarmierend. Sie seien "ein neuer Verrat" an den Menschen im Südsudan, erklärte Ban. Die Gefechte in Juba zeigten, dass die Parteien sich nicht ernsthaft für den Friedensprozess einsetzten. Auch in anderen Städten bricht immer wieder Gewalt aus - trotz Friedensabkommen.
Die Regierung in Juba sagte deshalb auch alle Feierlichkeiten fürs Wochenende ab. "Das ist eine Schande für unser Land", empört sich Michael Atit. "Nicht nur, dass die Unabhängigkeitsfeier aus Geldmangel abgesagt wurde, sondern auch die Berichte über die Wirtschaftskrise und den internen Konflikt senden ein ganz schlechtes Bild in die Welt", sagt der junge Südsudanese.
Der Bürgerrechtsaktivist Bidali Aligo Samson dagegen befürwortet die Entscheidung: "Die Regierung muss das Budget, das ihnen zur Verfügung steht, gewissenhaft ausgeben und nicht für irgendwelche Feierlichkeiten verschwenden." Das Geld sei anderswo besser aufgehoben, zum Beispiel könne man endlich Staatsbedienstete bezahlen. Die hätten nämlich seit vier Monaten keinen Lohn bekommen. "Außerdem muss mehr Geld in den Bildungssektor gesteckt werden. Den Schulen fehlt es an allem, die Schüler haben nicht einmal Schuluniformen."
Machtkämpfe und Bürgerkriege
Am 9. Juli 2011 erlangte der Südsudan nach jahrzehntelangen Kämpfen die Unabhängigkeit vom Sudan. Nur zwei Jahre später eskalierte der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Vizepräsidenten Riek Machar und endete in einem blutigen Bürgerkrieg. Zehntausende Menschen kamen ums Leben, rund zweieinhalb Millionen sind nach Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) auf der Flucht. Davon mehr als 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge, weitere 870.000 Menschen suchen in Nachbarländern Schutz.
Im August 2015 hatten sich die Konfliktparteien in einem Friedensabkommen unter anderem darauf geeinigt, dass Machar als Vizepräsident zurückkehrt. Das Friedensabkommen, das neben einem Waffenstillstand auch die Bildung einer Einheitsregierung vorsieht, weckte die Hoffnung vieler Südsudanesen auf etwas Stabilität in ihrem fragilen Staat. Trotzdem gingen die Kämpfe zwischen Anhängern von Kiir und Machar in den vergangenen Monaten weiter. "Die letzen fünf Jahre waren wirklich schwierig", berichtet Nyagoah Tut, Expertin für Sudan und Südsudan bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Wir haben Verstöße gegen die Menschenrechte dokumentiert - sowohl durch die Regierungstruppen als auch durch die Opposition ", sagt Tut im DW-Interview. Die Liste reiche von Plünderungen und Entführungen bis hin zu sexualisierter Gewalt und Massenmorden.
Der Südsudan findet keine Ruhe
Auch seit die Einheitsregierung das Sagen hat, schlägt Amnesty International weiterhin Alarm. Immer wieder wird von Polizeigewalt, willkürlichen Festnahmen, Folter und Hinrichtungen von Häftlingen berichtet.
Auch den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung hat das Abkommen nicht gebracht. Regelmäßig wird den Krankenhäusern der Strom abgeschaltet, hunderte Schulen wurden geschlossen oder zerstört. Das südsudanesische Pund hat 90 Prozent seines Wertes verloren. Nach wie vor sind die Preise für Grundnahrungsmittel so hoch wie vor dem Waffenstillstand der Konfliktparteien: Ein Kilo Zucker kostet 1,20 Euro, ein Stück Seife rund einen Euro und für einen 50-Kilogramm-Sack Mehl zahlt man auf Jubas Märkten umgerechnet 50 Euro.
Viele Südsudanesen sind skeptisch, ob die Regierung es schaffen wird, die Wirtschaft des krisengebeuteten Landes anzukurbeln. "Wir warten immer noch, dass das Leid der Bevölkerung endlich ein Ende nimmt", sagt ein Mann in Juba, der anonym bleiben möchte. "Wenn sich jetzt die Wirtschaft nicht stabilisiert, dann liegt es nur daran, dass die verschiedenen Parteien einander nicht trauen."
Amnesty-Expertin Nyagoah Tut sieht die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung: "Sie muss unbedingt Druck auf die konkurrierenden Seiten ausüben und die Umsetzung des Friedensvertrages unterstützen." Außerdem müsse sichergestellt werden, dass Verantwortung für die begangenen Kriegsverbrechen übernommen werde. Auch beim Aufbau von staatlichen Institutionen, wie es der Friedensvertrag vorsieht, wird die Hilfe der internationalen Gemeinschaft gefragt sein - nicht nur finanziell, sondern auch technisch.
Mitarbeit: Daniel Pelz, Waakhe Simon Wudu