Keine Einigung mit Griechenland in Sicht
15. April 2015Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte jetzt in New York Schluss mit dem Versteckspiel: Er denke nicht, dass man in den nächsten Wochen eine Einigung mit Griechenland über die Zahlung der letzten Tranche aus dem Hilfsprogramm erzielen werde. Es gebe keine Idee, wie der Streit über die Reformauflagen der Gläubiger gelöst werden könne. Und: Den Finanzmärkten sei es egal, ob Griechenland in der Eurozone bleibe oder sie verlasse - ein möglicher Grexit sei "bereits eingepreist". Außerdem fürchtet Schäuble, dass Griechenland ohne Reformkurs zu "einem Fass ohne Boden" werden könne. Die Regierung von Alexis Tsipras habe den guten wirtschaftlichen Weg, auf dem das Land im vorigen Jahr gewesen sei, in drei Monaten zerstört: "Es ist eine Tragödie".
Draghi wartet auf die Politik
Die Zahlungsfähigkeit Athens hängt seit Monaten an den laufenden Notfallkrediten der Europäischen Zentralbank (EZB). Nur sie sorgt dafür, dass die griechischen Banken noch das Geld haben, mit dem sich wiederum die Regierung über kurzfristige Anleihen Luft verschafft. Wie lange kann das noch so weitergehen? EZB-Chef Mario Draghi hält dazu wie üblich den Ball flach. "Die Antwort liegt in den Händen der griechischen Regierung. Wir genehmigen ELA-Notfallkredite, solange die griechischen Banken liquide sind und entsprechende Sicherheiten haben. Insgesamt hat die EZB inzwischen 110 Milliarden Euro bereitgestellt, das ist die höchste Quote in der Eurozone", sagt er. Auf ein mögliches Enddatum dieser künstlichen Beatmung für das griechische Bankensystem will Draghi sich nicht festlegen lassen. Am Dienstag hat der Rat der europäischen Zentralbank weitere 800 Millionen Euro freigegeben. Aber über das Wort "Staatsbankrott" mag der EZB-Chef nicht einmal nachdenken.
Rätseln über die Strategie in Athen
In Brüssel kursieren seit ein paar Wochen Äußerungen von EU-Beamten, dass man über den Gang der Verhandlungen mit Athen völlig frustriert sei und kein gutes Ende mehr erwarte. Der zuständige Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis mahnte jetzt einmal mehr: "Wir erwarten von Griechenland ein glaubwürdiges Reformbekenntnis, Eile ist geboten." Informell hatte die Euro-Arbeitsgruppe, die die Verhandlungen mit Athen vorbereitet, eine Frist bis zum nächsten Montag gesetzt. Allerspätestens dann müsse Athen den verlangten Reformplan vorgelegt haben, sonst sei es zu spät für die Minister, bei ihrem Treffen in Riga darüber zu beraten.
Die griechische Zeitung "Ekathimerini" berichtet, die Zeit für Griechenland laufe inzwischen ab. Und das Verwirrspiel in der griechischen Regierung sorgt nach wie vor für Rätselraten: Zusagen, die Premier Alexis Tsipras den internationalen Geldgebern macht, werden von anderen Regierungsmitgliedern umgehend zurückgenommen. Bei der ständigen Vertretung Griechenlands in Brüssel, den Diplomaten, die auf Arbeitsebene die Kontakte halten, ringe man inzwischen die Hände. Es herrsche Verzweiflung, vor allem, weil ständig widersprüchliche Anweisungen aus Athen einliefen. Und Berichte aus der Sitzung der Euro-Arbeitsgruppe in der vorigen Woche sorgen jetzt für neuen Ärger: Die "FAZ" hatte geschrieben, der griechische Vertreter habe sich dabei aufgeführt wie ein Taxifahrer, der bei seinen Kunden auf Bezahlung drängt, nach der Devise: Wo bleibt das Geld? Außerdem habe er eingeräumt, dass sein Land in Kürze zahlungsunfähig sei. Das Finanzministerium in Athen verlangt eine Entschuldigung.
Immer näher am Abgrund
Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Landes äußerte inzwischen auch der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling. "Ich hoffe, es wird bald Fortschritte geben, denn die Liquiditätspuffer in Griechenland werden eindeutig sehr, sehr klein", sagte er in einem Interview mit der portugiesischen Zeitung "Diario des Noticias". Nach wie vor wird massiv Geld von griechischen Konten abgezogen, nach letzten Berechnungen sind es insgesamt 25 Milliarden Euro in den letzten drei Monaten. Außerdem seien Vertreter der Gläubiger, früher Troika genannt, immer noch damit beschäftigt, verlässliche Zahlen zu sammeln. Die Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Athen sollen nach griechischen Berichten inzwischen frustriert die Segel gestrichen haben. Finanzminister Yanis Varoufakis werde sich auf unangenehme Gespräche einstellen müssen, wenn er im Laufe der Woche zur Frühjahrstagung des IWF reist.
Am Wochenende veröffentlichte die finnische Zeitung "Helsingin Sanomat" ein Papier aus dem dortigen Finanzministerium, wonach man sich auf den Grexit aktiv vorbereitet. Und sollten nach der Wahl am Sonntag die Rechtspopulisten "Wahre Finnen" mit in die Regierung kommen, könnte sich das Fenster für weitere Griechenland-Hilfen schließen: Die Partei lehnt sie prinzipiell ab. Unterdessen berichtet die britische "Financial Times" unter Berufung auf griechische Quellen, die Regierung Tsipras bereite sich selbst auf den Grexit vor, wenn in der nächsten Woche kein EU-Geld fließt. Dann sei man am Ende und werde die nächsten Zahlungen für den IWF im Mai und Juni nicht mehr leisten. Und das Wochenblatt "Die Zeit" behauptet, auch das Bundesfinanzministerium in Berlin arbeite an einem Szenario, wie es mit Griechenland im Fall einer Pleite weitergehen könne. Eine Sprecherin reagierte darauf mit "Kopfschütteln". Der slowakische Finanzminister Peter Kazimir ist da weniger zurückhaltend: "Griechenland bewegt sich immer mehr auf den Abgrund zu", erklärte er im Gespräch mit dem US-Sender Bloomberg.