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"Keine Einbahnstraßen zwischen Russland und der EU"

17. Januar 2008

Sergej Jastrschembskij, Sonderbevollmächtigter des russischen Präsidenten für EU-Fragen, bewertet im Gespräch mit DW-Russisch die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und der EU im vergangenen Jahr.

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Sergej Jastrschembskij: Neues Selbstbewusstsein RusslandsBild: Sergej Morosow

DW-Russisch: Welche Bilanz ziehen Sie für die russische Europapolitik im Jahr 2007?

Sergej Jastrschembskij: Man muss die gesamte Dynamik der russisch-europäischen Beziehungen betrachten. Ein Jahr allein ist keine so große Zeitspanne, anhand der man die gewaltigen Veränderungen gut erkennen könnte, die sich in unseren Beziehungen zur Europäischen Union vollzogen haben. In erster Linie muss man das Wachstum des Außenhandels zwischen Russland und der EU hervorheben. Während im Jahr 2000 der Handelsumsatz 48 Milliarden Dollar betrug, erreichte er im Jahr 2006 bereits 231 Milliarden Dollar. Wenn man sich die Jahre 2005-2006 anschaut, dann betrug das Wachstum etwa 60 Milliarden Dollar. Das heißt, dass sich in den Jahren der Präsidentschaft von Wladimir Putin die EU im Handels- und Wirtschaftbereich für uns zum Handels- und Wirtschaftspartner Nummer Eins gewandelt hat.

Wenn man sich unsere Energielieferungen anschaut, so hat sich, was Kohle, Öl und Gas betrifft, Russland zu einem Partner der EU von exklusiver Wichtigkeit gewandelt. Wenn man das Jahr 2007 betrachtet, dann sieht man, welch große Anzahl von Energieprojekten vom Präsidenten und der Regierung gestartet wurden: von der Ölpipeline Burgas–Alexandroupolis Anfang des Jahres bis hin zur Kaspischen Gaspipeline, die auf den europäischen Markt abzielt. Ferner wurde der Bau einer Südlichen Gaspipeline bekannt gegeben, die über Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Italien verlaufen wird.

Diese drei wichtigen Entscheidungen im Jahr 2007 zeigen, wie viel Russland und die EU in einem Jahr, was die Energieversorgung der europäischen Wirtschaft angeht, vorangetrieben haben. Diese drei größten Projekte würde ich zweifelsohne als Errungenschaften der russischen Außenpolitik auf dem europäischen Kontinent im vergangenen Jahr bezeichnen.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass viele, darunter auch in Europa, sich an das neue Format der Beziehungen zu Russland noch nicht gewöhnt hätten. Beobachten Sie inzwischen Veränderungen?

Ja, anhand der europäischen Presse. Es ist Tatsache, dass man sich bewusst geworden ist, dass Russland heute an allen wichtigsten internationalen Problemen arbeitet. Obwohl viele Analytiker und Beobachter oft missgünstig über Russland berichten, erkennen auch diejenigen an, die nicht mit Russland sympathisieren, dass Russland als selbständiger großer Akteur in die Weltarena zurückgekehrt ist.

Verändert hat sich auch das Selbstempfinden in Russland selbst – es hat sich im Vergleich zu früheren Zeiten sehr verbessert. Die Tatsache, dass Russland wieder zur Position eines aktiven internationalen Akteurs zurückgekehrt ist, gehört auch zu den Errungenschaften des Jahres 2007. Vielen in Europa fiel es schwer, sich dessen bewusst zu werden. Jetzt, wie mir scheint, haben sich die einen damit abgefunden, die anderen einverstanden erklärt. Das Wichtigste aber ist, dass diese Tatsache heute von niemandem in Frage gestellt wird.

Wie steht es um den Vorschlag Russlands, Aktiva zwischen russischen und europäischen Unternehmen auszutauschen?

Diese Idee musste sich einige Jahre ihren Weg erkämpfen. Sie geht von der Überzeugung sowohl in Russland als auch in der EU aus, dass die beiden Volkswirtschaften gegenseitig abhängig sind, und das mit steigender Tendenz.

Ich erinnere an das informelle Gipfeltreffen 2006 im finnischen Lahti, als sich alle Staatschefs der EU zu einem informellen Gespräch mit Präsident Putin trafen. In den absolut meisten Reden wurde unterstrichen, dass eine positive gegenseitige Abhängigkeit zwischen Russland und der EU in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und vor allem Energie besteht. Das ist nicht einfach nur die Feststellung, dass wir Gas, Öl, Kohle fördern und die Europäer nur verbrauchen. Das geht heute viel tiefer. Es geht darum, dass tatsächlich ein Austausch von Aktiva stattfindet, dass interessierte europäische Unternehmen unsere Partner in vielen strategischen Projekten werden, in denen man nur schwer die Grenze ziehen könnte, wo ein russisches Unternehmen endet und ein europäisches beginnt.

Auf dem Gipfeltreffen Russland-EU in Portugal im Oktober 2007 schlug Putin überraschend vor, ein Russisches Institut für Freiheit und Demokratie in Europa zu schaffen. Möchte Russland so auf gleicher Augenhöhe mit Europa und den USA über Menschenrechte diskutieren?

Kurz gesagt, ja. Keine einzige Frage, in der wir mit den USA und Europa zusammenarbeiten, ist einseitig. Es gibt keine Einbahnstraße. Jedes Thema, das zwischen Russland und der EU auf dem Tisch liegt, muss ein Thema sein, zu dem eine Straße führt, die in beiden Richtungen befahrbar ist. Das betrifft sowohl die Wirtschaft als auch die Situation mit den Menschenrechten. Weder ist Europa für uns in diesen Fragen ein "Lehrer", noch ist Russland in diesen Fragen für Europa ein "Schüler".

Das Gespräch führte Sergej Morosow, DW-Russisch