1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Kein Wandel in Birma"

13. Mai 2011

Erstmals seit 20 Jahren fanden in Birma im vergangenen Jahr Wahlen statt. Doch von einem Wandel ist das südostasiatische Land noch immer weit entfernt, sagt Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi im Gespräch mit DW-TV.

https://p.dw.com/p/RNV3
Aung San Suu Kyi im November 2010 (Foto: AP)
Kurz nach ihrer Freilassung im November 2011 spricht Aung San Suu Kyi zu ihren AnhängernBild: AP
Nach Jahrzehnten des Stillstandes hatte Birmas Militärjunta im vergangenen Jahr Veränderungen versprochen. Es wurden Hoffnungen laut, dass sich das südostasiatische Land langsam wirtschaftlich und politisch öffnen könnte. Tatsächlich kam es im November zu Wahlen. Und kurz darauf kam die Ikone der Demokratiebewegung, Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi frei - nachdem sie einen Großteil der vergangenen zwei Jahrzehnte in Haft oder unter Hausarrest verbracht hatte.
Jubel bei den Anhängern Aung San Suu Kyis nach ihrer Freilassung (Foto: AP)
Jubel bei den Anhängern Aung San Suu Kyis nach ihrer FreilassungBild: AP

Verhalten optimistisch schätzten daraufhin internationale Birma-Beobachter die Zukunft ein. Doch wenige Monate nach ihrer Freilassung kann Suu Kyi diese Auffassung nicht teilen. "Es gibt keinen wirklichen Wandel. Die Leute wünschen sich so sehr Veränderungen, aber tatsächlich gibt es keine." Dennoch ist im vergangenen halben Jahr viel passiert in Myanmar - wie Birma heute offiziell heißt: Auf die ersten Wahlen nach mehr als zwei Jahrzehnten folgte im Januar die erste Tagung des Parlaments. Und Ende März 2011 löste sich die Junta offiziell selbst auf.

"Fassadenkosmetik" der Militärregierung

Auch für Aung San Suu Kyi ist das Leben jetzt deutlich leichter: Seit dem Ende ihres langjährigen Hausarrests hat sie einen Internetanschluss, gibt Interviews und engagiert sich längst wieder aktiv für mehr Demokratie. Doch in ihren Augen betreiben Birmas Militärs nur Fassadenkosmetik. Die alte Militärregierung habe sich lediglich durch kontrollierte Wahlen zu legitimieren versucht, meint sie. Als Gradmesser der Freiheit ist für sie nur der Blick auf die Unterdrückung Andersdenkender im Land akzeptabel. "Solange nicht alle politischen Gefangenen freigelassen werden und nicht allen erlaubt wird, am politischen Prozess im Land teilzunehmen, können wir nicht von echtem Wandel sprechen."

Verleihung des Friedensnobelpreises 1991 (Foto: AP)
In Abwesenheit wird Suu Kyi 1991 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet - ihr Sohn nimmt ihn an ihrer Stelle entgegenBild: AP

Die Friedensnobelpreisträgerin hatte sich ausdrücklich gewünscht, mit internationalen Studenten über die Lage in ihrem Land debattieren zu können. So kam es zu einer außergewöhnlichen Podiumsdiskussion: Aus Angst vor Störungen der birmanischen Sicherheitsbehörden wurde Aung San Suu Kyi nach konspirativen Vorbereitungen per Telefon aus Rangun in die Berliner "Hertie School of Governance" geschaltet, wo DW-TV die Diskussion mit Journalisten und Studenten moderierte und aufzeichnete.

Umdenken der jungen Generation

Es ist der gebildete politische Nachwuchs, auf den die 65-Jährige Aktivistin mittlerweile ihre ganze Hoffnung setzt. Nicht nur in den arabischen Ländern, auch in Birma seien es Studenten, die sich für den Wandel engagieren. Das sei eine der größten Veränderungen, die sie seit ihrer Freilassung beobachtet habe, so die Friedensnobelpreisträgerin. Noch vor wenigen Jahren hätten sich junge Menschen in Birma kaum für Politik interessiert. "Mittlerweile sind sie viel selbstständiger. Sie sind frustriert, haben aber verstanden, dass sie es sind, die einen Wandel bewerkstelligen müssen."

Mann mit Plakat von Aung San Suu Kyi (Foto: Ap)
Über Jahrzehnte gingen die Unterstützer der Demokratie-Bewegung immer wieder auf die StraßeBild: AP

Aung San Suu Kyi, die erst kürzlich erneut dafür plädierte, die internationalen Sanktionen gegen Birma aufrecht zu erhalten, gibt sich in der Diskussion überzeugt davon, dass andauernder internationaler Druck auf das Militärregime hilfreich für ihr Land sei. Im Falle Birmas würden die Sanktionen mehr den Herrschenden als den Beherrschten schaden. "Wenn man Menschen hier fragt, was ihr größtes Problem ist, sagen sie alle: die Inflation, die steigenden Lebenshaltungskosten, die Arbeitslosigkeit." Diese täglichen Probleme seien für die Bevölkerung Birmas die größte Belastung. "Und die rührt nicht von Sanktionen her."

Hoffnung für die Zukunft

Aung San Suu Kyi ist auch in Birma nicht unumstritten wegen ihrer strikten Haltung. Die Oppositionsbewegung ist in verschiedene Organisationen gespalten. Dennoch wachse das Netzwerk derjenigen, die für mehr Demokratie in Birma arbeiten, sagt sie ihrem Berliner Publikum. Und auch, dass erst aus dem Vielen das Eine werden könne, nämlich eine starke birmanische Gesellschaft.

Autorin: Adrienne Woltersdorf
Redaktion: Esther Felden