Kein Regierungswechsel in Polen
10. Oktober 2011"Für mich und die Bürgerplattform ist es die größte Ehre, dass wir die kommenden vier Jahre für euch alle arbeiten werden. Unabhängig davon, wen ihr heute gewählt habt", erklärte Regierungschef Donald Tusk an das polnische Volk gerichtet. Und der 54-Jährige versprach: "In den nächsten vier Jahren werden wir doppelt so hart arbeiten."
Alte Regierung, neue Minister
Auch wenn das offizielle Ergebnis wohl erst am Dienstag (11.10.2011) vorliegen wird - fest steht schon jetzt, dass Tusk die Parlamentswahl vom Sonntag gewonnen hat. Nachdem mehr als 90 Prozent der Stimmen ausgezählt sind, liegt seine liberal-demokratische Bürgerplattform (PO) bei rund 39 Prozent. Der bisherige Koalitionspartner, die Bauernpartei PSL, kann danach mit etwa neun Prozent der Stimmen rechnen. Damit hätte Tusk eine knappe Mehrheit von 233 Sitzen im 460 Sitze umfassenden Parlament. Der Regierungschef hatte vor der Wahl bekundet, er wolle -wenn möglich- die Koalition mit der Bauernpartei fortsetzen.
Klar ist allerdings, dass es in der neuen Regierung eine Reihe neuer Gesichter geben wird: Für den Fall eines Wahlsiegs hatte Tusk bereits angekündigt, nur fünf der bisherigen Minister würden auch dem neuen Kabinett angehören. Weiter mit dabei sein sollen unter anderen Außenminister Radoslaw Sikorski und Finanzminister Jacek Rostowski.
Oppositionelle Überzeugungsarbeit
Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Jaroslaw Kaczynski errang nach dem derzeitigen Auszählungsstand etwa 30 Prozent. Der Zwillingsbruder des im vergangenen Jahr bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Staatspräsidenten Lech Kaczynski räumte seine Niederlage umgehend ein. Auch er gab ein Versprechen ab: "Der Tag des Sieges wird kommen", versprach er seinen Anhängern. "Wir halten an unserer Überzeugung fest, dass Polen tiefgreifende Veränderungen braucht. In den kommenden vier Jahren werden wir weitere Millionen von Polen davon überzeugen."
In den vergangenen Tagen hatte Kaczynski auch mit antideutschen Bemerkungen versucht, Wähler zu mobilisieren - offensichtlich ohne Erfolg. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch wettert der 62 Jahre alte Oppositionsführer und Ex-Ministerpräsident, Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolge Großmachtstreben und erwarte Unterwerfung von Polen.
Aus Protest erwächst Hoffnung
Die eigentliche Sensation ist nicht die Wiederwahl Tusks, sondern das Abschneiden der neuen Protestpartei, der Bewegung des ehemaligen Bürgerplattform-Abgeordneten Janusz Palikot. Seine "Ruch Palikota" wurde auf Anhieb drittstärkste Partei im neuen Warschauer Sejm. Die Bewegung hatte im Wahlkampf für weniger Einfluss von Staat und Kirche, die Legalisierung weicher Drogen und einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und Internet plädiert. Es gebe nun Anlass zur Hoffnung, dass Millionen Polen einen laizistischen, zivilen und offenen Staat wollten, in dem der Glaube Privatsache sei, meinte Palikot.
Autor: Christian Walz (dpa, rtr, dapd, afp)
Redaktion: Martin Muno