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PolitikAsien

Iran von 4. Corona-Welle getroffen

23. April 2021

Irans "nationale Impfstrategie" bleibt auf dem Papier. Wer es sich leisten kann, sucht auf dem Schwarzmarkt, unterdessen schlagen Gesundheitsexperten Alarm.

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Iran Coronavirus
Bild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

"Unsere Leichenhallen haben nicht mehr genügend Kapazität, um die vielen Toten aufzubewahren", teilte am Dienstag Resa Karami von der Teheraner Stadtverwaltung mit. Mitarbeiter des Teheraner Zentralfriedhofs Behescht Sahra müssen in Schichten rund um die Uhr arbeiten, um alle Leichen nach islamischen Vorschriften vor der Beerdigung zu waschen, in Leichentücher zu wickeln und zu beerdigen.

Die vierte Welle der Corona-Pandemie ist mit voller Wucht in der Millionenmetropole Teheran angekommen. Schätzungen zu Folge leben fast ein Viertel der 83 Millionen Iraner in der Hauptstadt und ihrer Umgebung. Ungefähr 100 Krankenhäuser in Teheran kümmern sich fast nur um die Corona-Patienten. Die Intensivstationen hätten keine freien Kapazität mehr, teilte Anfang der Woche Nader Tavakoli mit, Mitglied des iranischen Corona-Krisenstabs.

Unrealistischer Lockdown

Die Zahl der Neuinfektion ist nach den Neujahrsferien (20. März bis 2. April) auf über mehr als 20.000 täglich gestiegen. Dabei ist die Testdichte gering, so dass die Zahlen um einiges höher liegen dürften. Laut offiziellen Statistiken sterben täglich etwa 400 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Infektion, fast ein Drittel von ihnen in Teheran.

Der zehntägige Teil-Lockdown, der nach dem 10. April verhängt wurde, stößt im Alltag mit der Lebensrealität der Menschen zusammen, auch wegen fehlender digitaler Infrastrukturen.

Täglich bilden sich lange Schlangen vor den Behörden, die derzeit mit reduziertem Personal arbeiten. Für den Privatsektor gibt es keine Ausnahmeregelungen zur Anwesenheitspflicht. "Wer von Zuhause aus arbeiten möchte, riskiert seine Stelle zu verlieren", sagt die 30-jährige Sara aus Teheran. Sie arbeitet für eine Lebensmittelfirma. "Ich muss vor Ort sein und kann nicht von zuhause arbeiten. Natürlich habe ich Angst."

Abgeordnete verordnen sich Urlaub

Das Land bräuchte dringend einen strengen zweiwöchigen Lockdown, fordern viele Gesundheitsexperten. Diese Warnung nehmen die Parlamentarier ernst. Allerdings nur für sich selbst. "Wegen der steigenden Zahlen von Neuinfektionen wird das Parlament für zwei Wochen schließen", kündigte Parlamentssprecher Ahmad Amirabadi am Montag an. Einen langfristigen Plan für die Bewältigung der Pandemie haben weder die Parlamentarier noch die Regierung.

Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani vergangene Woche am Rande einer Kabinensitzung zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende Sommer zu Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren.

Ungefähr 100 Krankenhäuser in Teheran kümmern sich fast nur um die Corona-Patienten
Ungefähr 100 Krankenhäuser in Teheran kümmern sich fast nur um die Corona-PatientenBild: mehrnews.com

Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, erklärte Rohani, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindere. Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht.

Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2000 Euro verkauft, berichtete das Wirtschaftsportal "Tejartnews" vergangene Woche.

Funktionäre lassen sich zur "Vertrauensbildung" impfen

Bis 17. April hatte der Iran insgesamt knapp 1,9 Millionen Impfdosen vor allem aus Russland und Indien importiert, bestätigt der Sprecher des Nationalen Corona-Krisenstabes Alireza Raeisi. Allein für die Erstimpfung der ersten Gruppe, also Ärzte, Pflegemitarbeiter, Schwerkranke und gefährdete Gruppen wie Mitarbeiter der Friedhöfe und der Müllabfuhr brauche das Land 2,2 Millionen Dosen, heißt es weiter. Wie viele aus der ersten Gruppe bis jetzt geimpft wurden, ist nicht bekannt. Es gibt weder Statistiken noch Berichte dazu.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass in der Stadt Abadan im Südwesten Irans der Bürgermeister und der Freitagsprediger am Rand eines Impftermins für Mitarbeiter der Müllabfuhr geimpft wurden. Die Nachricht löste einen Shitstorm in sozialen Netzwerken aus.

"Wir wollten nur Vertrauen aufbauen, damit die geschätzten Mitarbeiter der Müllabfuhr keine Angst vor der Impfung haben", verteidigte sich der Bürgermeister in einem in sozialen Netzwerken veröffentlichen Video. Daraufhin berichten zahlreiche Zeugen aus anderen Städten des Lands über ähnliche Methoden zur "Vertrauensbildung" von lokalen Funktionären und über deren Korruption und Missmanagement.