Kein Kölsch für die AfD
21. April 2017"Hätten die sich nicht einen anderen Ort aussuchen können?", fragt die Wärterin der öffentlichen Toiletten in der Mauthgasse am Rhein. Die kräftige Mittvierzigerin fürchtet ein "Halligalli", doch sie gibt sich selbstbewusst: "Ich habe keine Angst. Wenn die Demonstranten randalieren, verriegele ich die Tür", sagt sie, "da kenne ich nichts".
Doch ganz so selbstsicher, wie sie sich auf den ersten Blick gibt, ist die Wärterin wohl nicht. Sie hoffe doch sehr, dass sie morgen bei dem zu erwartenden Ansturm personelle Verstärkung bekomme und nicht alleine die Schicht überstehen müsse, fügt sie hinzu.
Woodstock am Rhein
Rund 50.000 Demonstranten erwartet die Polizei am Samstag zu Demonstrationen gegen den Bundesparteitag der AfD. Die Proteste rund um den Heumarkt kommen von den beiden Bündnissen "Köln gegen rechts" und "Köln stellt sich quer". Im Westteil der Stadt wollen Karnevalsvereine, der 1. FC Köln und die Bands Brings und Höhner ein "Kölsches Woodstock" gegen Rassismus und Rechts feiern.
Schon am Freitag befand sich die Stadt im Belagerungszustand: überall Mannschaftswagen der Polizei, Wasserwerfer und massive Polizeipräsenz. Zugenagelte Hauseingänge, Verbotsschilder, Absperrungen und zahlreiche Übertragungswagen großer TV-Sender dienten als Vorboten für den Kölner Großkampftag am Samstag.
Die Zugänge zum Maritim Hotel, dem Tagungshotel der AfD, waren bereits vormittags gesperrt. Vor dem Haupteingang standen zahlreiche Polizisten, der Zugang von der Rheinseite über die Fußgängerbrücke war blockiert. "Wer sollte sich hier noch herein trauen?", fragt einer der Sicherheitskräfte, die hinter der Polizeiphalanx im Eingangsbereich die Personalien kontrollieren.
Eine Brücke, die trennt
In der Tat: Das großzügige Foyer wirkt verlassen, die Restaurants im oberen Stockwerk sind leergefegt. Nur ein paar Pressevertreter haben ihre Kameras auf den Tischen abgelegt. AfD-Vertreter und Hotelpersonal treffen die letzten Vorbereitungen für die umstrittene Veranstaltung. Kein Hotelgast ist weit und breit zu sehen.
Am Kölner Heumarkt verläuft am Samstag die Grenze zwischen zwei Welten: Im Maritim, südlich der Deutzer Brücke, treffen sich die politischen Wortführer der "besorgten Bürger". Nördlich der Deutzer Brücke treffen sich Demonstranten, die ganze andere Sorgen umtreiben: die Sorge nämlich, dass AfD-Politiker ausgerechnet in Köln gegen Flüchtlinge, Ausländer, Europa und Weltoffenheit wettern.
Die größte Sorgen dürften allerdings die Polizei plagen: 4000 Beamte sollen verhindern, dass die beiden entgegengesetzten Lager aufeinander stoßen. Nicht nur die vom Bündnis "Köln gegen Rechts" angekündigte Blockade des Maritims, die AfD-Mitglieder hindern daran soll, zum Hotel zu gelangen und am Parteitag teilzunehmen, gilt es zu verhindern.
Kölsch und Kebab für Demonstranten
Auch eventuelle Krawalle zwischen Demonstranten sowie Konflikte mit Passanten, Touristen oder Gastronomen sollen die Ordnungshüter unterbinden. Um die Zufahrtswege zu kontrollieren, verfügte die Polizei bereits am Freitagnachmittag die Sperrung der Deutzer Brücke und des Rheinufertunnels.
"Es ist das erste Mal, dass hier in Köln Rechte und Linke aufeinandertreffen", sagt der Mitarbeiter einer Dönerbude, der namentlich nicht genannt werden will. Angst vor Ausschreitungen hat er nicht. "Linke Demonstranten haben nichts gegen Ausländer", meint er, "außerdem ist hier alles voll mit Polizisten, mehr Sicherheit geht doch nicht."
Wie die meisten Lokale rund um den Heumarkt will auch der türkische Imbiss am Samstag öffnen. Die meisten hoffen darauf, dass die Demonstranten ihren Umsatz steigern. Laut Information der Polizei ist es jedem Gastwirt selbst überlassen, ob er sein Lokal öffnet oder nicht. Nur auf die Außengastronomie muss aus Sicherheitsgründen verzichtet werden.
"Klare Provokation"
Das Steakhouse Maredo hat sich bereits entschieden und bleibt am Samstag "aufgrund der Ausnahmesituation" geschlossen. Generell bemühen sich die Kölner um eine gewisse Gelassenheit. Die meisten Museen haben am Samstag geöffnet, darunter das Museum Ludwig am Dom und das Schokoladenmuseum am Malakoffturm. Die Ausflugsschiffe auf dem Rhein sollen weiter fahren, lediglich die Anleger-Positionen können variieren.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hofft auf das Verständnis der Einwohner: "Ich bedanke mich bei den Bürgern, die wiederholt aushalten müssen, dass Köln ungewollt zur Bühne für politische Auseinandersetzungen wird, für ihre Geduld", erklärte sie am Freitag. Sie empfinde den AfD-Bundesparteitag "als klare Provokation".
Generell scheinen die Kölner bei allem Unbehagen vor der Großdemo am Samstag den linken Bündnissen einen gewissen Sympathiebonus einzuräumen. "Die Rechten und die Neonazis sind schlimmer als Linksradikale", meint die Toilettenwärterin am Rhein, "mit denen wollen wir nichts zu tun haben."