Kein einheitliches Bild
14. Oktober 2009Nachdem Kroatien den Grenzkonflikt mit Slowenien offenbar gelöst hat, könnte das Land jetzt kurz vor der Ziellinie stehen. So äußerte sich EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn und zeichnet ein sehr durchwachsenes Bild vom Fortschritt der beitrittswilligen Länder. Serbien oder Albanien, dürften noch wesentlich länger bis zu einem Beitritt brauchen. Die Chancen für die Türkei scheinen ungewiss, obwohl die Beitrittsverhandlungen schon laufen. Für alle Länder hat es sich bereits jetzt gelohnt, ist Rehn überzeugt: "Die europäische Perspektive des westlichen Balkan und der Türkei waren bisher ein Faktor für Stabilität und gesellschaftlichen Fortschritt, für einen demokratischen und wirtschaftlichen Wandel."
Lob und Tadel
Eines der Grundprobleme in allen Ländern des westlichen Balkan sind Nationalitätenkonflikte, zum Teil zwischen, zum Teil aber auch innerhalb von Staaten. Nirgendwo wird das deutlicher als in Bosnien-Herzegowina. In dem Land sind Serben, Kroaten und Moslems in einem Staat vereint. Nach Ende des Bürgerkrieges hatte die internationale Gemeinschaft einen sogenannten "Hohen Repräsentanten" mit weitreichenden Vollmachten eingesetzt. Doch das Verhältnis zwischen den Volksgruppen ist auch heute so schlecht, dass der internationale Repräsentant weiter nötig scheint. Rehn rief daher die führenden Politiker des Landes zur Zusammenarbeit auf: "Wir wollen, dass Bosnien-Herzegowina ein glaubwürdiger Bewerber für die EU- und NATO-Mitgliedschaft ist. Aber dafür muss das Land auf eigenen Füßen stehen. Kein Quasi-Protektorat kann der EU beitreten."
In der Türkei sieht die Kommission zwar sichtbare Fortschritte, trotzdem würden die Grundrechte nicht ausreichend respektiert, darunter fällt auch die Presse- und Meinungsfreiheit. In diesem Zusammenhang rügte Rehn ausdrücklich, dass der Schriftsteller Orhan Pamuk wegen kritischer Äußerungen erneut vor Gericht steht.
Doch während für Rehn die Beitrittsperspektive der Türkei prinzipiell offen ist, arbeiten auf der parlamentarischen Ebene viele dagegen. Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok meint, sowohl der EU als auch der Türkei fehlten die Voraussetzungen für eine türkische Vollmitgliedschaft. "Ich glaube, dass die Europäische Union, so, wie sie heute ist, ein großes Land wie die Türkei nicht verkraften würde, das wäre eine Überdehnung der Europäischen Union" Aber man müsse sehen, dass auch die Türkei die Voraussetzungen bisher nicht erfülle.
Andere glauben, in Wahrheit gehe es den Gegnern eines Beitritts um etwas ganz anderes. Der Grünenabgeordnete Reinhard Bütikofer vermisst Toleranz, gerade auf der europäischen Seite: "Welche Vorstellungen von der Identität Europas haben wir? Ist Europa ein Christenclub, dann sind die Türken draußen. Ist Europa bereit, die europäische Geschichte des Islam ernst zu nehmen, dann muss man auch die Türkei als Bewerber ernsthaft berücksichtigen." Doch offene Befürworter einer türkischen Vollmitgliedschaft findet man inzwischen selten im Europaparlament - trotz aller offiziellen Bekenntnisse der Kommission.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Heidi Engels/Martin Muno