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Kein Durchbruch im Visumstreit

1. September 2016

EU-Parlamentspräsident Schulz hält die Verhandlungen über Visumfreiheit trotz der starren Haltung der Türkei nicht für gescheitert. Einen Erfolg konnte er bei seinem Besuch in Ankara allerdings nicht verbuchen.

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Binali Yildirim (3. v. r.) bei seinem Treffen mit Martin Schulz (3. v. l.) (Foto: Anadolu)
Binali Yildirim (3. v. r.) bei seinem Treffen mit Martin Schulz (3. v. l.)Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/U. Ucrak

Seit Monaten streiten die Türkei und die EU um Visumfreiheit. Eine Lösung haben Ministerpräsident Binali Yildirim und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auch bei dessen Besuch in Ankara nicht gefunden: Eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze - die aus Sicht der EU Voraussetzung für die Visumfreiheit für Türken ist - lehnte Ministerpräsident Binali Yildirim angesichts der aktuellen Lage erneut ab.

"Zum jetzigen Zeitpunkt bewegt sich aufgrund der Differenzen, die wir haben, in dieser Frage nichts", räumte Schulz nach einem Treffen mit Yildirim ein. Die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze sei zwar ein "Grundkriterium". Er fügte aber hinzu: "Ich glaube nicht, dass es am Ende scheitern muss, sondern dass es die Chance gibt, über die abgemachten Vereinbarungen nachzudenken."

Schulz und Yildirim versicherten, man wolle im Gespräch bleiben (Foto: Anadolu)
Schulz und Yildirim versicherten, man wolle im Gespräch bleibenBild: picture-alliance/Anadolu Agency/U. Ucrak

Yildirim sagte, aufgrund der aktuellen Umstände in der Türkei könne es keine Lockerungen beim Anti-Terror-Gesetz geben. Die Türkei kämpfe derzeit gegen mehrere Terrororganisationen. "Für uns geht es hier um Leben und Tod." Er sei sich aber mit Schulz darin einig, dass man in der Frage weiter im Gespräch bleiben müsse.

Das Europaparlament will nicht über eine Visumfreiheit beraten, solange die Regierung in Ankara nicht alle vereinbarten Kriterien erfüllt. Eine der wenigen noch offenen Bedingungen ist die Änderung der Terrorgesetze. In einem Interview im ZDF erneuerte Schulz diese Forderung. Solange die Türkei ihre Anti-Terrorgesetze nicht ändere, "wird es auch keine Visa-Liberalisierung geben", so Schulz. Westliche Politiker werten die Anti-Terror-Gesetze als überzogen und fürchten, sie könnten benutzt werden, um gegen Oppositionelle vorzugehen.

"Nicht in allen Fragen übereingestimmt"

Befeuert werden diese Befürchtungen durch die Maßnahmen gegen mutmaßliche Anhänger der gescheiterten Putschisten vom 15. Juli. Bislang sind zehntausende Türken verhaftet oder aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden und die Maßnahmen dauern an: Wie in Ankara am Donnerstag bekannt wurde, mussten weitere 8000 Sicherheitskräfte gehen. Unter den Betroffenen sind rund 7.700 Polizisten. Ihnen wird vorgeworfen, Beziehungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu unterhalten.

Syrische Flüchtlinge im September 2015 nach dem Übersetzen von der Türkei nach Griechenenland (Foto: AP)
Syrische Flüchtlinge im September 2015 nach dem Übersetzen von der Türkei nach GriechenenlandBild: picture-alliance/AP Photo/P. Giannakouris

Die türkische Regierung hat gedroht, ohne Visumfreiheit das Flüchtlingsabkommen mit der EU platzen zu lassen. Die Visumfreiheit war im Rahmen des Flüchtlingspaktes ursprünglich bis Ende Juni angestrebt worden, sollte die Türkei alle Bedingungen erfüllen.

" Schlüsselpartner der EU"

Schulz und - unabhängig von ihm - auch Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos waren die ersten Spitzenvertreter der EU, die Ankara seit dem Putschversuch in der Türkei Mitte Juli besuchten. Damit sollten die Spannungen zwischen der EU und der Türkei entschärft werden. Avramopoulos betonte: "Die EU ist ein Schlüsselpartner der Türkei, und die Türkei ist ein Schlüsselpartner der EU."

Schulz sagte nach einem Treffen mit Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu: "Wir waren uns einig, dass die Türkei und die Europäische Union sich schon einmal näher standen, als das heute der Fall ist." Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP und er seien sich aber einig gewesen über die Notwendigkeit, "offen über unterschiedliche Positionen zu reden, um aus dieser Offenheit Gemeinsamkeiten zu entwickeln, die uns wieder näher zusammenbringen."

Schulz traf am Abend im Präsidentenpalast in Ankara mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan zusammen. Das lange Gespräch sei positiv und in freundlicher Atmosphäre verlaufen, hieß es anschließend. In der Vergangenheit hatte Schulz heftige Kritik an dem türkischen Präsidenten geübt. Nach der von Erdogan betriebenen Aufhebung der Immunität vieler türkischen Parlamentarier hatte Schulz ihm vorgeworfen, eine "Ein-Mann-Herrschaft" zementieren zu wollen.

Nach dem Putschversuch nahmen die schon davor erheblichen Spannungen zwischen der EU und der Türkei noch einmal zu. Zahlreiche EU-Politiker verdächtigten Erdogan, sich beim Vorgehen gegen mutmaßliche Unterstützer des gescheiterten Umsturzes nicht an die Menschenrechte und rechtsstaatliche Standards zu halten. Ankara weist das zurück. Die türkische Regierung warf der EU ihrerseits mangelnde Solidarität nach dem Putschversuch vor.

stu/wl/haz (dpa, rtr)