Kaum Gleichberechtigung: Frauen in Japan
1. Mai 2023Fast 80 Prozent der Menschen in Japan glauben, dass die Gesellschaft des asiatischen Landes Männer gegenüber Frauen begünstigt. Das geht aus einer Untersuchung des Kabinettsbüros hervor. Nur 14,7 Prozent der Einwohner glauben demnach, dass Frauen in Japan gleichbehandelt werden. Die Studie unterstreicht die massive Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in allen Bereichen - von Politik über Bildung bis in "sozial akzeptierte Vorstellungen, Bräuche und Gepflogenheiten".
In welchen gesellschaftlichen Bereichen scheint die Ungleichheit am größten? In der Politik, antworteten knapp 82 Prozent der Befragten. Am Arbeitsplatz, finden mehr als 64 Prozent der Japanerinnen und Japaner. Außerdem hoben fast 60 Prozent das Familienleben hervor: Soziale Konventionen geben den Frauen vor, dass sie kochen, putzen, den Haushalt managen und die Kinder großziehen.
"Die Umfrageergebnisse überraschen mich nicht. Es ist bedauerlich, dass sich offenbar nichts zum Positiven verändert", sagt Chisato Kitanaka, Soziologieprofessorin und Ansprechperson für Fälle von Belästigung an der Universität Hiroshima.
"Das ist in allen Teilen der japanischen Gesellschaft ein Problem. Am offensichtlichsten ist es wohl in den Einkommensunterschieden und den Beschäftigungs- und Karrierechancen für Frauen", sagt Kitanaka gegenüber der DW. "Junge Frauen kommen von den Universitäten und Hochschulen mit den gleichen Fähigkeiten und Kenntnissen wie Männer. Aber die Unternehmen und Organisationen, die sie einstellen, stecken oft in altmodischen Denkmustern fest." Sie gingen von der Annahme aus, dass die Frauen nach ein paar Jahren die Firma wieder verließen, um zu heiraten und Kinder zu kriegen. "Es ergibt für sie also keinen Sinn, Frauen dieselben Ausbildungs- und Aufstiegschancen zu bieten wie männlichen Beschäftigten."
Zeit für Veränderungen in Bildung und Beruf
Im Unterhaus des japanischen Parlamentes haben Frauen knapp zehn Prozent der 465 Sitze inne. Japan steht damit auf Platz 165 der 180 Länder, die die Interparlamentarische Union (IPU) beobachtet, die weltweite Vereinigung von Parlamenten. Bei den jüngsten Wahlen zum Unterhaus waren nur 18 Prozent der Kandidierenden weiblich.
Wenigstens im Bildungssektor existiert eine Gleichheit der Geschlechter - das wurde jedenfalls lange angenommen. Aber auch das stimmt nicht, sagt Hiromi Murakami, Professorin für Politikwissenschaft am Standort Tokio der US-amerikanischen Temple University. "Die Ungleichheit ist vielleicht weniger offensichtlich. Aber es gab in den vergangenen Jahren ein paar Skandale, in denen Universitäten männliche Bewerber Frauen mit besseren Prüfungsergebnissen vorgezogen haben."
Japans Gender Gap hat den EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, augenscheinlich überrascht, als er jüngst für ein Treffen der G7-Arbeitsminister dort war. Man habe sich klare und starke Statements gewünscht, sagte Schmit anschließend der Nachrichtenagentur Kyodo News. Für gleiche Bezahlung und bessere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt sei das weitgehend gelungen. Darüber hinaus gäbe es ein "starkes Bewusstsein der japanischen Seite, dass etwas getan werden muss".
Gegenwind von Konservativen
Das betont auch Japans Ministerpräsident Fumio Kishida. Er hat das Kabinett und Arbeitsmarktexperten angewiesen, dafür zu sorgen, dass die Führungspositionen großer japanischer Konzerne bis 2030 mit 30 Prozent Frauen besetzt sind. Höhere Gehälter, mehr Beförderungen und ein Ende der gesellschaftlichen Gewalt gegen Frauen, so Kishida, seien entscheidend, damit Frauen in Unternehmen mehr Toppositionen bekämen.
Wertkonservative Traditionalisten widersprechen der Behauptung, Frauen wären Männern am Arbeitsplatz unterlegen.
"Ich glaube nicht, dass Frauen in der japanischen Gesellschaft benachteiligt werden. Es gibt längst Gesetze, die ihnen die dieselben Rechte garantieren wie Männern", sagt Yoichi Shimada, Wissenschaftler an der Fukui Prefectural University. "Vielleicht liegt die Benachteiligung an den Erwartungen der Gesellschaft, dass Frauen in erster Linie Kinder aufziehen. Aber das ist kein ungewöhnliches Problem. Es ist die gleiche Situation in anderen Teilen der Welt, in den USA oder Europa. Das ist kein großes Thema."
Es ist genau diese Haltung, deretwegen die Soziologin Chisato Kitanaka die Chancen für wirkliche Veränderungen in Japan sehr pessimistisch beurteilt. "Diese Einstellungen sind so tief verankert in unserer Gesellschaft", sagt sie. "Vielleicht wird es einen Wandel geben. Aber er wird erst allmählich und sehr langsam kommen."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert von Beate Hinrichs.