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Kaum Bewegung im Westsahara-Konflikt

21. April 2010

Wieder einmal geht der Streit um die Westsahara in die Verlängerung. Das UN-Mandat für die Region wird voraussichtlich für ein weiteres Jahr erneuert. Und alle Beteiligten können mit diesem Schwebezustand gut leben.

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Auf der Suche nach der Richtung: Polisario-Kämpfer in der WestsaharaBild: AP

Seit 35 Jahren streiten sich Marokko und die Befreiungsfront Frente-Polisario um einen Teil der Sahara. Damals, im Oktober 1975 hatte sich die ehemalige Kolonialmacht Spanien aus der Region zurückgezogen – prompt annektierten Marokko und Mauretanien das Gebiet. Die dort lebenden Saharauis wehrten sich wie zuvor gegen Spanien nun gegen die neuen Besatzungsmächte und gingen mit der Befreiungsfront Polisario in den bewaffneten Widerstand. Zunächst mit Erfolg: Mit Mauretanien konnte 1979 ein Friedensvertrag geschlossen werden. Doch der Kampf mit Marokko ging weiter und etwa 100.000 Bewohner (von insgesamt knapp 400.000) der Westsahara flüchteten in Lager ins Nachbarland Algerien. 1991 wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt – mit der Option einer Volksabstimmung über den Status der Westsahara. Doch dazu ist es bis heute nicht gekommen. Denn Marokko sieht die Westsahara als „südliche Provinz“ und gesteht dem Gebiet keine Eigenstaatlichkeit zu – allenfalls mehr Autonomie im Rahmen einer „Regionalisierung“.

Regionalisierung statt Unabhängigkeit

Karte Westsahara
"Demokratische Arabische Republik" oder Süd-Marokko? Umstrittenes Gebiet in der Sahara

Um genau diese „Regionalisierung“ ging es jetzt in den UN-geführten Verhandlungen um den Status der Westsahara. Oder besser: Sollte es gehen. Denn UN-Generalsekretät Ban Ki Moon stellte in seinem Bericht fest, dass keine der beiden Seiten sich auch nur auf die Position der Gegenpartei einlassen wollte. Und das somit keine Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen bestehen. Jetzt solle das UN Mandat namens Minurso, das am 30. April ausläuft, verlängert und somit den Parteien mehr Zeit zum Überdenken der eigenen Position gegeben werden.

Doch warum sollten sie das überhaupt tun? Es scheint, dass die Hängepartie auch durchaus eine Hängematte ist – vor allem für die Polisario. Die Befreiungsbewegung schöpft ihr Selbstverständnis aus den linken Bewegungen der 70er Jahre. Sie vertritt, zumindest auf dem Papier, noch immer kommunistische Positionen und unterhält nicht nur eine Exilregierung sondern auch zahlreiche Vertretungen im Ausland. Zudem wird sie von Algerien unterstützt, dessen Beziehungen zu Marokko angespannt sind. Macht hat sie nur über etwa ein Viertel im Osten und Süden des durch einen Wall geteilten Westsahara-Gebietes. Dort ist auch mit Bir Lehlu die „Hauptstadt“ der von der Polisario ausgerufenen Demokratischen Arabischen Republik.

Mohamed Abdelziz Präsident von Westsahara
Mohamed Abdelaziz, Führer der PolisarioBild: AP

Ob die politische Führungsrolle, die sie als einziger organisierter Ansprechpartner einnimmt, tatsächlich die politische Stimmung unter den Westsaharauis widerspiegelt ist indes ungewiss. Demokratisch legitimiert ist die Polisario in keiner Weise. Ihr Präsident ist seit 1976 Mohammed Abdelaziz, zugleich fungiert er als Premierminister der Exilregierung. Regierungsarbeit indes muss er kaum leisten: Die mittlerweile 160.000 Saharauis, die in den algerischen Flüchtlingslagern nahe Tindouf leben, werden von der UN versorgt. Unterdessen haben sich die Bewohner auf ein Leben dort mit rudimentären Infrastrukturen wie Lazaretten und Schulen eingerichtet. Aber auch der Polisario-Teil der Westsahara ist weitgehend auf internationale Hilfslieferungen angewiesen.

Wer darf abstimmen?

Bildgalerie Westsahara 2
Die saharaurischen Flüchtlingslager gelten als die am Besten organisiertenBild: DW/Meike Scholz

Mit dem Waffenstillstandsabkommen 1991 wurde vereinbart, dass in einer Volksabstimmung über die Zukunft der Westsahara entschieden werden sollte. Bis heute ist das Volk nicht gefragt worden. Auch, weil sich Polsisario und Marokko nicht darüber einigen können, wer zu diesem Volk gehört – nur Westsaharauis, die zur Zeit des spanischen Abzugs im relevanten Gebiet lebten? Oder auch saharauische Stämme aus dem Süden Marokkos? Oder schlicht alle Menschen, die aktuell in der Westsahara leben?

Denn die Bevölkerung ist auch nicht mehr die gleiche wie noch vor 20 Jahren. Seitdem sind in den marokkanisch kontrollierten Teil zehntausende Marokkaner eingewandert, auch der ehemals ausschließlich von saharauischen Nomaden bewohnte südöstliche Teil ist mittlerweile nicht mehr so homogen, auch in politischer Hinsicht. Beide Seiten, Marokko und die Polisario, könnten einen Ausgang des Referendums nicht ausschließen, der ihnen nicht gefällt. Und der im Fall eines pro-marokkanischen Ausgangs sicherlich das Ende der Polisario in ihrer jetzigen Bedeutung wäre.

Abwarten und dem Zerfall zusehen

Westsahara 5 - Panoramabild
Das Krankenhaus im algerischen Flüchtlingslager für Westsaharauis

Und so kann auch Marokko mit der aktuellen Situation durchaus leben. Der von ihr kontrollierte Teil der Westsahara muss zwar derzeit noch stark subventioniert werden. Aber die Gegend wird mittlerweile touristisch erschlossen, die Fischvorkommen an der Küste gewinnen an wirtschaftlicher Bedeutung und der Abbau von Rohstoffen wie Phosphat wird immer lukrativer. Zudem bietet die Küste nicht nur touristische Perspektiven: Offshore werden große Gas- und Erdölvorkommen vermutet. Verzichten also wird Marokko wohl kaum auf die vielversprechende Region. Abwarten und zusehen, wie die Polisario zerfällt schon eher. Denn – das behauptet zumindest die marokkanische Seite – immer mehr ehemalige Polisario-Mitstreiter wechseln die Fronten und laufen in das marokkanische Lager über. Und sollte der marokkanische Plan der Regionalisierung eines Tages aufgehen, wäre die Westsahara eine autonome marokkanische Provinz – deren Reichtümer in Marokkos Kasse fließen.

Autor: Dirk Bathe

Redaktion: Katrin Ogunsade