Kaukasus: Orientierungssuche zwischen Europa und Asien
14. Februar 2008Europa steht bei den drei südkaukasischen Staaten hoch im Kurs. Das europäische Integrationsmodell auf der Basis politischer und wirtschaftlicher Stabilität gilt als Vorbild. Europa – das sind aber auch Finanzhilfen, Projekte, Partnerschaften, von denen die Region profitieren kann. Zwischen Aserbaidschan, Georgien und Armenien ist daher, so Sloweniens Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Dimitri Rupel, ein regelrechter Wettbewerb um die rascheste und nachhaltigste Annäherung an Europa und seine Institutionen entbrannt.
EU-Nähe erwünscht
Politiker aller kaukasischen Länder überbieten sich in diesen Tagen regelrecht mit Bekenntnissen. Georgiens Premier Vladimer Gurgenidse betonte anlässlich des Besuchs einer hochrangigen EU-Delegation, wie wichtig die europäische Nachbarschaft für sein Land ist: "Letzten Endes teilen wir dieselben Werte, wir streben nach denselben Dingen, wir wissen, was getan werden muss. Je mehr, desto besser. Je schneller, desto besser. Je tiefer, desto besser."
Auch Armeniens Außenminister Vartan Oskanian verwies auf Gemeinsamkeiten: "Wir haben europäische Wurzeln, wir sind mit Europa verbunden, unsere Geschichte ist mit der europäischen Geschichte verbunden, unsere Kultur ist näher an Europa als an allen anderen. Und wir sollten nicht die christlichen Werte vergessen, die wir bewahren." In Baku zeigt man sich besonders stolz auf die vom Öl- und Gasboom herrührenden wirtschaftlichen Erfolge. Der zuständige Minister Heydar Babayev: "Wir schaffen hier etwas. Wir wollen uns dem Wettbewerb stellen."
EU bemängelt Defizite in der Rechtsstaatlichkeit
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bescheinigt Aserbaidschan, Georgien und Armenien vor allem wirtschaftliche Erfolge. Aber sie lässt auch keinen Zweifel daran, dass es noch Defizite gibt, die beseitigt werden müssen. "Es sind Länder, die zumindest den großen Wunsch nach dieser Partnerschaft haben. Das ist vielleicht in den Bereichen Regierungsfähigkeit, Demokratie, Menschenrechte erst ein Weg, den sie eingeschlagen haben. Sie sind noch nicht am Ziel. Aber es ist enorm wichtig, dass wir sie auf diesem Weg auch sehr eng begleiten."
Schwelende territoriale Konflikte
Anlass zur Sorge bieten aus europäischer Sicht mangelnde Rechtsstaatlichkeit, eine verbreitete politische Einflussnahme auf die Justiz, eine immer noch nicht voll entfaltete Pressefreiheit sowie die grassierende Korruption. Vom wirtschaftlichen Fortschritt – etwa den Öl- und Gaseinnahmen in Aserbaidschan – profitiert bislang nur eine Minderheit. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt, besonders jenseits der Metropolen, in großer Armut.
Für Spannungen und politische Stagnation sorgen im Südkaukasus festgefahrene territoriale Konflikte und separatistische Bestrebungen einzelner Regionen. Die aus Brüssel angereisten EU-Vertreter haben daher sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig die regionale Kooperation zur friedlichen Konfliktlösung ist. Zwischen Armenien und Aserbaidschan schwelt die Krise um die Enklave Berg-Karabach – Grenzen sind blockiert, Äußerungen von Politikern beider Seiten klingen kriegerisch und lassen nichts Gutes erwarten. Georgien
wiederum hat ungelöste Konflikte mit Abchasien und Südossetien.
Hoffnungsträger EU
Doch nicht nur die Regierungen, auch Opposition und nichtstaatliche Organisationen setzen im Südkaukasus große Hoffnungen in Europa. Der georgische Ombudsmann Sozar Subari formuliert es so: "Die europäische Nachbarschaft ist eine wichtige Möglichkeit, eine Herausforderung – die Chance, die Situation in unserem Land zu verbessern."
Und dann ist da noch das große Thema Wahlen: Sie sind in den Augen der EU-Kommission so etwas wie der entscheidende Test für den demokratischen Fortschritt. Georgien hat gerade eine manipulierte Präsidentschaftswahl hinter sich und damit viel Kritik auf sich gezogen. Im April sind dort Parlamentswahlen. In Armenien soll am 19. Februar ein neues Staatsoberhaupt gewählt werden, ebenso im Oktober in Aserbaidschan. Alle drei Länder haben, so Benita Ferrero-Waldner, hier die Chance zu beweisen, dass sie den demokratischen Standards Europas näher gekommen sind.
Cornelia Rabitz, DW-Russisch