Katholische Bischöfe warnen vor Populismus
25. Juni 2019Expertinnen und Experten haben seit einer Reihe von Monaten beraten und formuliert - nun passt eine Arbeitshilfe der katholischen Bischöfe Deutschlands "zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen" ziemlich exakt in hitzige politische und auch kirchliche Debatten. Mit dem gut 70-seitigen Dokument wollen sie Kirchenmitgliedern Hilfen bei Gesprächen und Debatten geben - und offensichtlich auch manches ihrer Schäfchen vor einem Abrutschen nach rechts warnen.
"Jeder Mensch zählt gleich; keine Person ist mehr oder weniger wichtig. Das ist das grundlegende Versprechen unserer Verfassung: die Fundamentalgleichheit jedes Menschen, dessen Würde unantastbar ist", betonen die Bischöfe als Grundlage des Textes. Der Populismus, der die Menschen heute herausfordere, widerspreche "fundamental dieser Nähe zu allen Menschen". Der Rechtspopulismus stehe "für den Ausschluss von Anderen und Fremden".
Dabei verweisen die Bischöfe auf Handeln und Aussagen Jesu, auf grundlegende Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von 1962 bis 1965 die bislang wichtigste Positionsbestimmung der katholischen Kirche für die Moderne war, und auf eine Grundsatzrede von Papst Franziskus vom Herbst 2018 zu "Fremdenhass, Rassismus und Populismus im Zusammenhang mit weltweiter Migration". Es war seine programmatische Ansage gegen wiederauflebende "Haltungen, die von vielen für überwunden gehalten worden waren".
Gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit
Diese Vorgaben haben Konsequenzen. Dazu zählen die strikte Absage an Antisemitismus und Islamfeindlichkeit, an Religionsfeindlichkeit generell. Die verräterischen Begriffe "Denkmal der Schande" für das Berliner Mahnmal für die ermordeten Juden Europas und der "Vogelschiss" für die Jahre der NS-Diktatur aus dem Vokabular der AfD werden ausdrücklich genannt - anders als der Name der Partei.
Weiter heißt es: "Der Populismus, der uns herausfordert, zeigt tagtäglich sein bedrohliches Gesicht… 'Fake News', Lügen, Hass und Verurteilungsparolen sind an der Tagesordnung. Bis hinauf in die höchste Politik spielen populistische Vereinfacher ein gefährliches Spiel." Dem folgt die Absage an "innere Verhärtung, angstbesetzte Selbstbezüglichkeit und Untergangsphantasien". Und wie eine Mahnung an die Politik folgt die Erläuterung des grundlegenden kirchlichen Verständnisses von Familie und von Migration.
Die Arbeitshilfe schildert auch 19 sogenannte Praxisbeispiele. Die Aktion "Dein Grundgesetz" in Sachsen-Anhalt versucht, die Grundwerte in öffentliche Debatten und den öffentlichen Raum zu bringen (und räumt kritische Stimmen ein). Das Bistum Essen geht mit "Sach wat! Tacheles für Toleranz" auf "Kneipentour gegen Stammtischparolen". In Viernheim bei Mannheim sorgte die Initiative "Ich bin ein Viernheimer" für mittlerweile über 100 Patenschaften mit Geflüchteten. Und es geht in einem Beispiel auch um die tagtägliche Arbeit der katholischen Migrantinnen und Migranten in Deutschland.
Spannungen in der Kirche
All das seien "vielfältige gelungene Beispiele", wie die kirchliche Seelsorge und ihre Sozialarbeit die aktuellen Herausforderungen angingen, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Er mahnte, Kirche müsse "allen Tendenzen widerstehen, die fordern, 'das Eigene, die Deutschen oder die Katholiken zuerst'". Mehrmals warnte er bei der Vorstellung der Arbeitshilfe vor "Stammtischparolen". Und er räumte ein, dass es auch innerkirchlich "Gesprächs- und Klärungsbedarf" gebe.
Ähnlich äußerte sich auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. "Es ist uns ein Anliegen, ein Gesprächsangebot für alle Gläubigen zu formulieren - unabhängig von ihrer politischen Auffassung", sagte Heße, der in der Bischofskonferenz für Migrationsfragen zuständig ist. Die Kirche trage auch für jene seelsorgliche Verantwortung, die mit rechtspopulistischen Tendenzen sympathisierten. Dass sich bereits im Zuge der Erarbeitung der Arbeitshilfe die französischen Bischöfe erkundigten, lässt ahnen, dass diese Herausforderung auch in anderen Ländern besteht.
"Echte Probleme benennen"
Der Politologe Werner Patzelt, der CDU-Mitglied ist und sich intensiv mit dem Aufkommen der AfD beschäftigt, dem gelegentlich auch deutliche Nähe zu AfD-Positionen vorgeworfen wird, äußerte sich positiv über die Arbeitshilfe. "Hier ist etwas gelungen", sagte er. Das Dokument habe er "mit großer intellektueller und menschlicher Freude gelesen". Zugleich warb er dafür, auch zu benennen, dass mit Integration und Migration "auch echte Probleme einhergingen". Es sei nicht so, dass Sorgen ausschließlich von Populisten "geschürt" würden.
Sollen offizielle Kirchenvertreter mit AfD-Repräsentanten reden? Dafür sei derzeit nicht die Zeit, sagten die Bischöfe bei der Vorstellung. Es gehe in dem Dokument auch nicht nur um diese Rechtspopulisten. Die ständige Einengung des Populismus auf die AfD werde dem Problem nicht gerecht "und tut der AfD zu viel Ehre an", sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Patzelt ist da entschieden anderer Meinung und wirbt für Kontakte zur AfD: "Weil niemandem vorzuschreiben ist, wo er sein Kreuz macht, muss man die Leute erst einmal kommunikativ erreichen."
Einen Punkt unterstrich der Trierer Bischof Stephan Ackermann bei der Vorstellung der Studie. Der Rechtspopulismus sei angesichts der aktuellen Herausforderungen "bewusst speziell im Blick" der Arbeitshilfe. Grundsätzlich gehe es aber um Populismus von Links und von Rechts. So heiße es in der Einleitung des Dokuments, die Arbeitshilfe solle Gemeinden und kirchlichen Gruppen "dazu dienen, sich mit Phänomenen des Populismus" auseinanderzusetzen. Erst dann folge die Betonung "vor allem mit rechtspopulistischen Tendenzen".