Katastrophen verhindern durch bessere globale Wetterdaten
12. Oktober 2023Der Zugang zu Wasser ist für Millionen von Menschen gefährdet, das zeigt aktuell der zweite Bericht zu globalen Wasserressourcen von der Weltwetterorganisation (WMO). Ursache sind der Klimawandel und menschliche Aktivitäten, die weltweit die Wasserkreisläufe "ins Chaos" stürzen, so der Bericht.
Bisher gibt es laut WMO einen Mangel an Daten zur Überwachung des zunehmend unregelmäßigen Wasserkreislaufs, der mit Überschwemmungen und Dürren einhergeht. Die fehlenden Daten behinderten die Entwicklung von Frühwarnsystemen, die helfen würden, Leben zu retten. Doch das könnte sich allmählich verbessern, so der Bericht.
"Damit wir uns anpassen, planen und den Klimawandel abmildern können, brauchen wir Informationen darüber, wie es um unsere Wasserressourcen derzeit steht und wie sie sich verändern werden", so Berichtskoordinatorin Sulagna Mishra vom WMO gegenüber der DW.
"Hydrologische Daten sind für flussabwärts gelegene Länder sehr sensibel, daher spielen sie auch in der Geopolitik eine Rolle", so Mishra und fügt hinzu, dass Länder oft sehr zurückhaltend seien, wenn es um die Weitergabe von Informationen über Wasservorräte gehe.
Fortschritte beim Austausch von Informationen
Die Datenlage war teils auch aufgrund fehlender Wetterüberwachung begrenzt, besonders in bestimmten Regionen Afrikas, des Nahen Ostens und in Asien, die besonders von unzureichenden Beobachtungsdaten betroffen waren.
Doch inzwischen gibt es Fortschritte: Der erste WMO-Wasser-Bericht von 2021 stützte sich auf Daten von nur 38 Stationen im Vergleich zu mehr als 500 Stationen im Jahr 2022. Und wo keine Daten vor Ort verfügbar waren, konnten Forscher diesmal auf weitere Erkenntnisse aus der Fernerkundungen und andere Methoden zurückgreifen.
"Die Offenheit der Mitglieder ist gewachsen, als sie das Potenzial der Analysemethode erkannt haben", sagt Mishra. "Es läuft besser."
Der Bericht sei "ein Aufruf zum Handeln für mehr Datenaustausch, um aussagekräftige Frühwarnungen zu ermöglichen und für besser koordinierte und integrierte Wassermanagementrichtlinien, die ein integraler Bestandteil des Klimaschutzes sind", das betonte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas in einer Erklärung.
Die WMO fordert außerdem weitere Mittel, um die Überwachungslücken zu schließen und ein klareres Gesamtbild der weltweiten Wasserressourcen zu liefern. Das ermögliche den politischen Entscheidungsträgern sich auf die Brennpunkte der Wasserprobleme zu konzentrieren und ihre Bemühungen entsprechend umzulenken.
Der globale Wasserkreislauf verändert sich
Laut WMO-Bericht waren im Jahr 2022 in mehr als der Hälfte der weltweiten Einzugsgebiete die Wassermengen aus ihren Quellflüssen ungewöhnlich: Die meisten waren trockener als der Durchschnitt, aber einige waren besonders voll.
Niedrige Pegelstände in Flüssen und unregelmäßige Niederschläge im Zusammenhang mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursachten im Jahr 2022 weltweit Probleme.
Durch die Wasserknappheit gab es in den USA auf dem Mississippi Transportschwierigkeiten, im südamerikanischen La Plata-Flussbecken war die Stromproduktion aus Wasserkraft eingeschränkt. Zudem wurde durch geringe Niederschläge die Wasserversorgung von Paraguay im Jahr 2022 mehrfach unterbrochen.
Die Dürre in Europa führte zu niedrigen Wasserständen, die auf der Donau und dem Rhein die Schifffahrt erschwerten, während in Frankreich zahlreiche Atomkraftwerke abgeschaltet werden mussten, weil das Flusswasser zur Kühlung fehlte. Zwei Drittel der Energie in Frankreich werden derzeit durch AKWs erzeugt.
Das Horn von Afrika litt 2022 zum dritten Mal in Folge unter geringen Niederschlägen. Das führte zu einer schweren Dürre, mehr als 36,1 Millionen Menschen waren davon betroffen und bei 4,9 Millionen Kinder zu akuter Unterernährung führte.
Zu viel Wasser löst Katastrophen aus
Die Dürre in vielen Regionen der Welt war nicht die einzige Auswirkung der gestörten Wasserkreisläufe. Der WMO-Bericht erwähnt auch die Gebiete, in denen es 2022 besonders schlimme Fluten gab.
Überdurchschnittlich viel Wasser führte etwa im Nigerbecken und in Küstengebieten Südafrikas zu verheerenden Überschwemmungen.
Mehr als 1700 Menschen kamen im vergangenen Sommer bei einer Mega-Überschwemmung im pakistanischen Indus-Einzugsgebiet ums Leben, die weite Teile des Landes unter Wasser setzte. Das Ereignis, das wirtschaftliche Verluste von über 30 Milliarden US-Dollar verursachte, wurde durch eine vorangegangene Hitzewelle ausgelöst. Die Folge: eine dramatische Gletscherschmelze und besonders heftige Monsunregenfälle, die die Flusspegel auf katastrophale Werte ansteigen ließen. Laut der Forschungsgruppe World Weather Attribution wurden diese Bedingungen aufgrund des Klimawandels weitaus wahrscheinlicher.
Überschwemmungen wurden auch im Einzugsgebiet des Murray-Darling-Flusses in Osten Australiens, in Neuseeland und im kanadischen Winnipeg-Einzugsgebiet gemeldet.
Massive Gletscherschmelze verändert die Wasserversorgung
Der Bericht bewertet auch die gefrorenen Wasservorräte in Schnee und Eis, die sogenannte Kryosphäre. Es wurde ein deutlicher Rückgang der Schneedecke im sogenannten "Dritten Pol" gemessen, den Gletschern des asiatischen Hochgebirges. Dadurch verkürzte sich dort die Zeit der Schneeschmelze, und die durch Schmelzwasser gespeisten Seen schwollen an.
Das wirkte sich auf den Wasserstand in den Einzugsgebieten wichtiger Flüsse wie Indus, Amu Darya, Jangtsekiang und den Gelben Fluss in Zentralasien, Südasien und China aus und beeinträchtigte die Wasserversorgung von fast zwei Milliarden Menschen.
Die europäischen Alpen litten ähnlich, mit reduzierter Schneedecke und hohem Gletscherschwund. In Teilen der südamerikanischen Anden führten die wichtigsten Flüsse , besonders in Argentinien waren deshalb viele Menschen in urbanen Zentren von anhaltenden Wassereinschränkungen betroffen.
Bessere Warnsysteme retten Leben
Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sind über 90 Prozent der Naturkatastrophen wasserbedingt, darunter Dürre und Austrocknung, Waldbrände, Umweltverschmutzung und Überschwemmungen.
Die Weltwetterorganisation wurde damit beauftragt, bis 2027 die Entwicklung von Frühwarnsystemen in allen Teilen der Welt voranzutreiben. Afrikanische Länder, kleine Inselstaaten und Entwicklungsländer könnten davon besonders profitieren. Nur etwa die Hälfte der Welt hat bislang Zugang zu Frühwarnsystemen.
Abgesehen von der Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch die Menschheit sind Frühwarnsysteme laut Forschern der Schlüssel zur Vermeidung der schlimmsten Schäden durch die Instabilität der Wassersysteme.
"Wir brauchen bessere Methoden, um solche Ereignisse vorherzusagen und uns anzupassen, damit wir nicht so viele Leben verlieren und so viel besser vorbereitet sind", sagt Mishra.
Der Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert. Redaktion: Tamsin Walker