Katastrophale Katastrophenhilfe nach "Katrina"
13. Februar 2006Von Präsident George W. Bush bis zur Behörde für Katastrophenmanagement (Fema) - keiner der Verantwortlichen kommt ungeschoren davon: Insgesamt werden in dem Bericht des Abgeordnetenhauses 90 Fälle von Fehlern und Versäumnissen aufgelistet, durch die lebensrettende Maßnahmen vor und nach dem Hurrikan am 29. August 2005 verhindert worden seien. Das berichtete die "Washington Post" am Sonntag (12.2.), drei Tage, bevor der Report offiziell veröffentlicht werden soll.
Versagen auf der ganzen Linie
Das Gremium kommt zu dem Schluss, dass die verschiedenen Regierungsstellen aus den Terroranschlägen vom 11. September nichts gelernt, Warnungen hinsichtlich des Ausmaßes der Hurrikan-Katastrophe missachtet, Notfall-Programme nicht in die Tat umgesetzt und nicht genügend miteinander kommuniziert hätten. Besonders hart geht die Kommission mit Heimatschutzminister Michael Chertoff ins Gericht.
Er habe die Ereignisse lediglich distanziert verfolgt und Notfall-Programme der Regierung "spät, unwirksam oder überhaupt nicht" umgesetzt, sowie die Entsendung von Truppen, Ausrüstung undLebensmitteln um bis zu drei Tage verzögert. Weiter heißt es, die Behörde für Katastrophenmanagement und das Militär hätten rivalisierende Kommandostellen eingerichtet und dadurch ebenfalls die Reaktion auf den Hurrikan verlangsamt.
Präsident Bush hätte die nötigen Maßnahmen beschleunigen können, da es allein in seiner Macht gelegen habe, die bürokratischen Hemmnisse zu beseitigen. Aber er habe es nicht getan. Insgesamt kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass ein Mangel an Wissen, wie ernst die Lage gewesen sei, sowie ein "zerfaserter Entscheidungsprozess den Schrecken von 'Katrina' noch verlängert haben".
Ehemaliger Chef-Katastrophenmanager belastet Bush
Das Weiße Haus wies die Vorwürfe gegen Bush und das Heimatschutzministerium zurück. Der Präsident sei von Anfang bis zum Ende an der Umsetzung der Programme beteiligt gewesen und habe die Verantwortung dafür übernommen, sagte Sprecher Patrick Duffy. Ein Sprecher des Heimatschutzministeriums seinerseits machte den damaligen (und später zurückgetretenen) Fema-Chef Michael Brown für die langsame Reaktion verantwortlich. Brown habe durch "aufsässiges Verhalten" die Arbeit von Heimatschutzminister Michael Chertoff erschwert. Brown wiederum hatte am Freitag (10.2.) vor dem "Katrina"-Untersuchungsausschuss des Senats hauptsächlich Chertoff zum Schuldigen erklärt.
Das Weiße Haus und das Heimatschutzministerium seien schon am 29. August über das katastrophale Ausmaß der Überflutung von New Orleans durch "Katrina" informiert gewesen und nicht erst am Tag danach, wie von ihnen behauptet. Ein Fema-Mitarbeiter sei am Nachmittag des 29. August mit dem Hubschrauber über New Orleans geflogen und habe beobachtet, dass bereits Deiche gebrochen waren. Brown sagte, er habe daraufhin am selben Abend mit dem Vize-Stabschef des Weißen Hauses, Joe Hagin, telefoniert. Brown war sich sicher, dass Hagin die Informationen an Bush weiterleiten würde. Aber noch am Morgen des 30. August habe Bush von seiner Ranch in Texas erklärt, dass New Orleans "das Schlimmste erspart" worden sei. Statt ins Krisengebiet sei er nach San Diego in Kalifornien gereist.
Viele Berichte noch zu erwarten
Die scharfen Vorwürfe fallen besonders stark ins Gewicht, da die Ermittlungen von elf Republikanern - also Mitgliedern von Bushs eigener Partei - durchgeführt worden waren. Die oppositionellen Demokraten hatten die Untersuchungen wegen der Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Republikaner boykottiert. Ein Senatsausschuss mit Vertretern beider Parteien führt zur Zeit ebenfalls Ermittlungen durch. Auch das Weiße Haus will in Kürze einen Untersuchungsbericht vorlegen. Durch den Hurrikan 'Katrina' am 29. August 2005 und die anschließende Überflutung der Stadt waren in New Orleans hunderte Menschen ums Leben gekommen, zehntausende verloren ihr Zuhause. (arn)